
Arabella Wintermayr
Im klassischen Slasher- und Horrorfilm ist das „Final Girl“ jene letzte Überlebende, die dem Monster, Killer oder Dämon gegenübertritt. Oft scheinbar schwach oder unterschätzt, wächst sie im Verlauf der Handlung über sich hinaus und konfrontiert das Grauen, dem andere längst erlegen sind.
Was in den 1970er-Jahren mit Figuren wie Laurie Strode (Halloween) populär wurde, hat sich seither zu einem festen Archetyp entwickelt – mal ernsthaft, mal ironisch gebrochen. Hier stellen wir zehn besonders beeindruckende „Final Girls“ der Filmgeschichte vor.
Dieser Artikel enthält Spoiler!
10. Maxine Minx in "X" (2022)
Mia Goths sprengt als Maxine Minx in Ti Wests X (2022) das klassische Final-Girl-Schema: Anders als in den Horrorfilmen der 1970er und 80er Jahre, ist sie keine “unschuldige” Teenagerin, die zufällig ins Grauen stolpert, sondern eine junge Frau aus der Pornoindustrie, die unbeirrbar von einer Karriere im Rampenlicht träumt. Was sie am Leben hält, ist nicht der glückliche Zufall oder moralische Überlegenheit, sondern ein fast zynischer Überlebenswille, der sie von den anderen Figuren unterscheidet.
Ihr Triumph wirkt dadurch weniger wie ein moralischer Sieg als wie eine kalte Selbstbehauptung. Dass sie zugleich eine Art dunkles Spiegelbild der Killerin Pearl darstellt, verleiht ihrer Figur zusätzliche Tiefe. In einer Ära, in der Final Girls oft ironisch gebrochen werden, besticht Maxine durch ungekannte Härte und Ambivalenz.
9. Grace Le Domas in "Ready or Not" (2019)
Samara Weaving brilliert in Ready or Not (2019) als Grace, die frisch verheiratet in eine reiche, exzentrische Familie einheiratet – und prompt in ein tödliches Ritual hineingezogen wird. Statt traditioneller Flucht bleibt Grace keine Wahl: Sie muss wortwörtlich ums Überleben kämpfen, während ihre Schwiegerfamilie sie wie ein Jagdopfer durch das Anwesen hetzt. Je länger der Wahnsinn andauert, desto mehr verwandelt sich ihr Hochzeitskleid in ein blutgetränktes Symbol ihres Widerstands.
Grace ist zugleich verzweifelt und unerschütterlich, und Weavings exaltiertes Spiel macht sie zu einer modernen Final Girl-Ikone. Ihr Überlebenskampf ist Teil einer cleveren Horror-Satire – und zeigt, dass das Final Girl auch maßlos überzeichnet sein darf.
8. Erin Harson in "You’re Next" (2011)
Sharni Vinsons Erin in You’re Next (2011) ist das Final Girl für das Survival-Horror-Zeitalter: Was als Familienfeier beginnt, verwandelt sich in ein blutiges Massaker durch maskierte Eindringlinge – doch Erin ist alles andere als hilflos. Mit Survival-Skills, die sie in ihrer Kindheit in einer Prepper-Kommune gelernt hat, schlägt sie die Angreifer mit brutaler Effizienz zurück.
Erin ist nicht nur Überlebende, sondern Jägerin: Sie dreht den Spieß um und hinterlässt ihre Gegner in einer Falle nach der anderen. Damit wird sie zu einem der proaktivsten und cleversten Final Girls überhaupt – fast schon ein Actionheldin im Horror-Gewand.
7. Kirsty Cotton in "Hellraiser" (1987)
Ashley Laurence als Kirsty in Hellraiser (1987) nimmt im Pantheon der Final Girls ebenfalls eine Sonderrolle ein. Anders als Laurie oder Nancy (ebenfalls in dieser Liste) kämpft sie nicht nur gegen einen klaren Mörder, sondern gegen das Höllenreich der Cenobiten – und gegen die eigenen Machenschaften ihrer Familie. Kirsty überlebt nicht, weil sie stärker ist, sondern weil sie moralisch entschlossener und listiger handelt als ihre Gegner.
Sie versteht, die Regeln der Würfelwelt zu ihrem Vorteil auszunutzen, und wird dadurch zur unerwarteten Heldin. Kirsty ist ein Paradebeispiel dafür, dass das Final Girl-Konzept auch in abgründigeren Horror-Settings funktioniert.
6. Nancy Thompson in "Nightmare on Elm Street" (1984)
Heather Langenkamp verkörperte in Wes Cravens Nightmare on Elm Street wiederum eines der ikonischsten Final Girls überhaupt: Nancy Thompson ist allerdings weder passives Opfer noch naive Schülerin, sondern eine strategisch denkende Kämpferin. Statt Freddy Krueger nur zu entkommen, entwickelt Nancy einen ausgeklügelten Plan, um ihn in die Realität zu zwingen und zu besiegen – was sie von vielen anderen Horrorheldinnen unterscheidet.
Ihre Cleverness und ihr Pragmatismus sind ihre stärksten Waffen. Nancys Erbe reicht weit: Sie wurde zum Vorbild für zahllose spätere Final Girls, die Intelligenz über körperliche Stärke stellen. Ohne Nancy gäbe es vielleicht kein so klares Bild davon, was ein Final Girl ausmacht.
5. Gale Weathers und Sidney Prescott in "Scream"
Die Scream-Reihe (ab 1996) brachte gleich zwei ikonische Final Girls hervor: Neve Campbells als Sidney Prescott und Courteney Cox als Gale Weathers. Sidney ist die klassische Überlebende, die durch Intelligenz, Hartnäckigkeit und Mut immer wieder Ghostface trotzt – und mit jedem Teil stärker wird. Gale hingegen ist eine moderne Variation: ehrgeizig, zynisch und zunächst wenig sympathisch, wächst sie über sich hinaus und wird zu Sidneys wichtigsten Verbündeten.
Zusammen zeigen die Beiden innerhalb desselben Franchise, dass der Archetyp des Final Girls viele Facetten kennt: vom traumatisierten Opfer bis zur zähen Kämpferin, die sich gegenseitig ergänzen. Ein Duo, das Horror-Geschichte schrieb.
4. Adelaide Wilson/Red in "Wir" (2019)
In Jordan Peeles Wir (2019) spielt Lupita Nyong’o die Doppelrolle von Adelaide und Red – und liefert damit eines der komplexesten Final Girl-Porträts überhaupt. Adelaide kämpft gegen ihre eigene Spiegelung, buchstäblich gegen ihr „andere Ich“. Ihr Überleben wirkt dadurch nicht wie ein klarer Triumph des Guten, sondern wie ein vergifteter Sieg.
Adelaide unterstreicht ebenso wie Maxine in X, dass Final Girls nicht immer unschuldige Opfer sein müssen: Ihre Vergangenheit enthält ein düsteres Geheimnis, das am Ende alles infrage stellt. Diese Ambivalenz macht sie zu einer der spannendsten Neuinterpretationen des Konzepts – ein Final Girl, das uns zwingt, die einfache Formel von Gut und Böse zu überdenken.
3. Laurie Strode in "Halloween" (1978)
Jamie Lee Curtis prägte mit Laurie Strode inHalloween (1978) das Bild des „Final Girl“ wie kaum eine andere Figur. Laurie wirkt zunächst wie das typische Mädchen von nebenan: strebsam, freundlich, beinahe unscheinbar. Doch als Michael Myers nach Haddonfield zurückkehrt und sie zur Zielscheibe seiner Mordserie macht, zeigt sie eine innere Stärke, die niemand erwartet hätte.
Mit Intelligenz, Instinkt und schierer Willenskraft überlebt sie – und wurde damit zur Blaupause unzähliger Horrorheldinnen danach. Über die Jahrzehnte hinweg wandelte sich Laurie von der verängstigten Schülerin zur traumatisierten, aber kämpferischen Überlebenden. Besonders in den jüngeren Halloween-Filmen verkörpert sie eine Frau, die gelernt hat, aus ihrem Trauma Kraft zu schöpfen.
2. Dani in "Midsommar" (2019)
Florence Pugh verkörpert in Ari Asters Midsommar (2019) eine ungewöhnliche Final-Girl-Variante. Dani ist keine klassische Überlebenskämpferin, die am Ende einen Mörder besiegt, sondern eine traumatisierte junge Frau, die in den Bann einer schwedischen Kultgemeinschaft gerät. Ihr „Überleben“ bedeutet nicht Flucht, sondern eine verstörende Form von Integration.
Dani wird zur Maikönigin gekrönt – und triumphiert dabei weniger über ein Monster als vielmehr über ihren miserablen Freund, der sie zuvor unzähligen Male im Stich gelassen hat und nun zum Opfer des Rituals wird. Das macht Dani zu einer der ambivalentesten Final Girls der jüngeren Horrorgeschichte: Weniger heroisch, dafür konsequent und auf eine beklemmende Art umso beeindruckender.
1. Ellen Ripley in "Alien" (1979)
Sigourney Weavers spielt das unangefochtene Final Girl aller Final Girls. In Alien (1979) überlebt Ellen Ripley als einzige die Angriffe des Xenomorphs – und wird zur ersten Genreheldin, die Intelligenz, Durchhaltevermögen und einen klaren moralischen Kompass verkörpert, ohne auf traditionelle Weiblichkeitsklischees reduziert zu werden.
Ellen Ripley veränderte im Laufe der Reihe immer wieder ihre Form: In Aliens (1986) wurde sie zur Action-Ikone, in Alien 3 zur Märtyrerin, und in Alien: Die Wiedergeburt zur hybriden Kämpferin. Ihr Vermächtnis zeigt, dass das Final Girl mehr bedeuten kann, als zu Überleben: Ripley ist ein Paradebeispiel für weibliche Stärke und Selbstbehauptung, das Kino- und Popkultur nachhaltig geprägt hat.




































