Totgesagte leben länger, heißt es. Und wo würde dieser Ausspruch besser passen als beim Genre des Zombiefilms? Es kommt einfach immer wieder – und das seit 1968, als George A. Romero mit Die Nacht der lebenden Toten den modernen Zombiefilm mit einem Klassiker begründet.
Seither ist eine Menge passiert. Längst staksen die Untoten nicht mehr steif umher, reduziert auf einen einzigen Instinkt und wirklich stark nur in der Masse. Nicht erst Danny Boyles 28 Tage später (2002) hat mit diesen lange Zeit gesetzten Genreregeln gebrochen. Heute dürfen Zombies sogar Gefühle zeigen, kommunizieren oder sich organisieren. Was ein Markenzeichen des Genres bleibt, ist die krasse Wirkung von Entfremdung, die Angst über den plötzlichen Verlust aller zivilisatorischen Tugenden. Und dank dieser gesellschaftlichen Tragweite finden zunehmend auch preisgekrönte Arthouse-Regisseur:innen Lust an dem einst als schmuddelig geltenden Horror-Subgenre.
Wer erfahren möchte, welche Entwicklung das Zombiegenre in den vergangenen zehn Jahren genommen hat, findet nachstehend mit den zehn besten Beispielen einen chronologisch sortierten Überblick über die Internationalität und Bandbreite des Zombiefilms der vergangenen zehn Jahre.
1. What We Become (2015)
Eine idyllische Spießervorstadt von Kopenhagen namens „Sorgenfri“ bildet das Setting dieses dänischen Beitrags, an dessen Beginn die Figuren in all ihrer geruhsamen Bürgerlichkeit gezeigt werden – bis in einem Altenheim ein sich schnell verbreitender Virus auftaucht, der die Menschen zu blutrünstigen Monstern verändert. Bo Mikkelsens Spielfilmdebüt What We Become konzentriert sich in 85 Minuten auf atmosphärisch sehr gelungene Weise auf genau diese Frage: Wie schnell werfen wir angesichts der Bedrohung unsere menschlichen Prinzipien über Bord? Langsam und gekonnt baut sich die Spannung des Films auf, bis sich schließlich die ganze Brutalität der Situation entlädt: ein gekonnt grausiger Übergang vom Normalzustand in die Apokalypse.
2. Train to Busan (2016)
Mit der Weltpremiere auf den Filmfestspielen in Cannes, großem internationalen Interesse und fast 12 Mio. Zuschauern in Südkorea bedeutete Train to Busan für den Regisseur Yeon Sang-ho den Durchbruch. Der Clou seines Zombiefilms ist die Konzentration auf die Enge des Raums eines südkoreanischen Schnellzugs. Mit einem auf faszinierende Weise cleanen Look und einer spektakulären Schnittleistung entwickeln die 118 Filmminuten einen enormen Sog und eine extreme Spannungskurve. Gerade auch das Gefühl der Machtlosigkeit im Angesicht der Masse zu erzeugen, gelingt dem Film meisterhaft. Mit Peninsula dreht Yeon Sang-ho 2020 einen Nachfolger, der von der Welt vier Jahre nach der Zombieinvasion erzählt.
3. Hungrig (2017)
Robin Auberts kanadische Variante des Zombiemotivs spielt in einem weitläufigen ländlichen Gebiet und konstruiert zunächst ähnliche Voraussetzungen wie in fast allen Zombiefilmen, indem wir Menschen begleiten, die auf das entstehende Grauen gänzlich unvorbereitet sind. Als das Besondere am 104-minütigen Hungrig entpuppt sich dann schnell vor allem die Ausgestaltung der Untoten. Mit gellenden Schreien machen sie sich bemerkbar, können sich sehr schnell fortbewegen, zeigen aber vor allem arg eigenwilliges soziales Verhalten. Die Zombies scheinen eine Art von Gemeinschaft zu empfinden – insbesondere aber zeichnet sie ein gewisser Fetisch für Dinge und Objekte aus. Sie sammeln zu turmhohen Bergen gestapelt alten Kram, an den sie sich offenbar aus dem früheren Leben erinnern und dem sie nun im Dämmer ihres Zombiedaseins huldigen. Unser Konsumverhalten – das war schon in George A. Romeros Zombie (1978) die Message – überdauert alles Weltliche.
4. The Dead Don’t Die (2019)
Endgültig in der Hochkultur der Filmwelt angekommen war das Zombiefilmgenre spätestens, als bekannt wurde, dass Indiefilm-Ikone und Arthouse-Starregisseur Jim Jarmusch sich mit ihm beschäftigen wollte. Herausgekommen ist einer der lustigsten, aber definitiv der lässigste Beitrag zum Genre aller Zeiten. Die von Bill Murray, Adam Driver oder Tilda Swinton gespielten Figuren reagieren auf die Zombiebedrohung mit einer Gelassenheit, die in dem Genre ansonsten so gar keinen Platz hat. Gerade dieser Gegensatz wirkt wahnsinnig lustig – dabei geht Jarmusch in Bezug auf Splattermomente nicht mal zimperlich vor. Garniert mit großartigen Gastauftritten von Steve Buscemi, Danny Glover, RZA oder Iggy Pop (als kaffeedurstiger Zombie) entwickelt der Film über 105 Minuten eine herrliche neue Genrevariante.
5. Endzeit (2019)
Mit Endzeit gelingt der Regisseurin Carolina Hellsgård einer der wenigen deutschen Filme, die sich an das Zombiegenre heranwagen. Basierend auf einem Comic von Olivia Vieweg erzählt der Film eine Welt, in der Jena und Weimar – von Barrikaden umgeben – die letzten von Menschen bewohnten Städte sind. Wir begleiten zwei Frauen, die sich zu Fuß in die andere Stadt durchschlagen wollen und dabei das von Zombies beherrschte Land durchqueren müssen. Mit zunehmender Laufzeit der insgesamt 90 Minuten wird im Film deutlich, dass das Zeitalter der Menschheit ein Ende findet und die Natur sich mit aller Macht die Welt zurückerobert. Der Begriff „Endzeit“ wird in diesem Film wörtlich genommen, der vor allem mit starker Atmosphäre punktet – und damit insbesondere allen zu empfehlen ist, die sich für tiefere Ebenen des Zombiegenres jenseits bloßen Splatterekels interessieren.
6. Little Monsters (2019)
Lupita Nyong’o, Oscarpreisträgerin als Beste Nebendarstellerin in 12 Years a Slave (2013), trägt diesen einigermaßen verrückten australischen Zombiefilm. Sie spielt eine Kindergärtnerin, die mit ihrer Kindergruppe einen Tierpark besucht, der plötzlich von einer Horde Zombies überrannt wird. „Schnelle oder langsame?“, fragt ein Soldat, als die Meldung in der Kaserne eingeht und ist erleichtert: „Langsame.“ Ähnlich wie der legendäre Shaun of the Dead (2004) setzt Little Monsters über 94 Minuten lang auf parodistische Pointen und jede Menge schräge und explizite Gags. Die Coolness des Jarmusch-Humors von The Dead Don’t Die geht dem Film zwar ab – doch in der Summe bleibt er eine wirklich lustige, unterhaltsame und rabenschwarze Komödie.
7. Zombieland: Doppelt hält besser (2019)
Sie sind wieder zurück: Knapp zehn Jahre nach dem ersten Teil, streifen die vier berüchtigten Zombiejäger wieder durch die Überreste einer apokalyptischen USA. Wie schon der erste Teil, so nutzt auch diese Fortsetzung über 99 Minuten hinweg das Zombiefilmgenre in erster Linie als Anlass für jede Menge spektakuläre Action. Betont derber Humor, möglichst kreative Zombie-Kills und krasse Schauplätze (u.a. das Weiße Haus als zugewachsener Lost Place) prägen diesen lauten, aber unterhaltsamen Spaß, der dazu erneut absurd gut besetzt ist: Woody Harrelson, Jesse Eisenberg, Emma Stone, Rosario Dawson und Luke Wilson veredeln diesen schießwütigen Irrsinn.
8. Army of the Dead (2021)
In Las Vegas wimmelt es vor Zombies – das klingt wie ein ironischer Kommentar auf das Glücksspiel-Mekka mitten in der Wüste. In Zusammenhang mit Zack Snyders 148-minütiger Action-Horror-Farce Army of the Dead ist das allerdings ziemlich wörtlich gemeint: Nach einem Bahnunfall entkommt ein Alpha-Zombie und infiziert die gesamte Stadt. Ein Team von Söldnern soll aus der verlorengegebenen Stadt Bargeld aus einem Tresor retten. Ähnlich wie bei Zombieland liegt auch hier der Schwerpunkt auf derben Sprüchen und spektakulärer Action, gekonnt kombiniert mit Elementen des Caper-Movies. Mit dabei ist übrigens auch Matthias Schweighöfer als deutscher Safeknacker.
9. Final Cut of the Dead (2021)
Ein weiterer Oscarpreisträger, der sich für die Welt der Zombies interessiert: Der Franzose Michel Hazanavicius (The Artist, 2011) hat, orientiert am japanischen Film One Cut of the Dead (2017) von Shinichiro Ueda, einen Meta-Zombiefilm gedreht, wenn man so will. In 115 Minuten wird nämlich von den Dreharbeiten eines Low-Budget-Horrorfilms erzählt, die plötzlich von echten Zombies gestört werden. Der Crew allerdings gefällt, was sie sieht und hält weiter drauf. Die herrlich lustigen Film-im-Film-Anspielungen quellen natürlich über vor Seitenhieben auf die Medien – nicht weniger Hiebe bekommt aber auch das Filmpersonal selbst ab, von den Zombies ganz zu schweigen. Mit Final Cut of the Dead hatte 2022 erstmals ein Zombiefilm die Filmfestspiele in Cannes eröffnen dürfen.
10. Handling the Undead (2024)
Zum Schluss geht’s nach Norwegen: Die norwegische Starschauspielerin Renate Reinsve (Der schlimmste Mensch der Welt, 2021) spielt die Hauptrolle in diesem düsteren, schwermütigen Zombiedrama. Thea Hvistendahls Film geht das Phänomen der Untoten von einer gänzlich anderen Perspektive an als alle hier zuvor besprochenen Filme. Als nämlich an einem heißen Sommertag plötzlich in Oslo die Toten wieder auferstehen, erleben wir den Moment in drei Familien mit. Ihnen gleich ist der kürzliche Verlust eines geliebten Menschen. Noch tief inmitten ihrer Trauer, sind die Totgeglaubten plötzlich wieder da – seltsam still, seltsam blass, seltsam feindlich. Handling the Undead ist ein düster-gruseliges und gleichsam berührendes Drama, das ein sensibles soziales Thema anspricht und sich über 97 Minuten zum reinen Horror entwickelt.
































































































































































































































