
Markus Brandstetter
Kaum eine Serie wurde 2025 so gefeiert wie Adolescence auf Netflix. Das packende Jugenddrama um den 13-jährigen Jamie Miller überzeugt mit Themen wie toxischer Männlichkeit, Misogynie und der Suche nach Identität. Wer nach Serien sucht, die ähnlich eindringlich, gesellschaftlich relevant und emotional vielschichtig sind, wird hier fündig: Diese zehn Empfehlungen führen tief in jugendliche Seelenlandschaften, fordern heraus, bewegen – und lohnen sich gerade jetzt, wo Coming-of-Age-Formate eine neue Relevanz gewonnen haben. Ob düster, verträumt oder radikal ehrlich – hier ist für alle etwas dabei, die Adolescence nicht mehr loslässt und die Seriennachschub im gleichen oder ähnlichen Stil suchen.
1. I Am Not Okay with This (2020)
Regisseur Jonathan Entwistle schuf mit I Am Not Okay with This eine Mischung aus Coming-of-Age-Drama und Mystery, die am 26. Februar 2020 auf Netflix Premiere feierte. In der Hauptrolle zu sehen: Sophia Lillis als 17-jährige Sydney Novak, die nach dem Tod ihres Vaters entdeckt, dass sie übernatürliche – genauer gesagt telekinetische – Kräfte besitzt. Ebenfalls zu sehen: Wyatt Oleff als exzentrischer Nachbarn Stanley Barber und Sofia Bryant als ihre beste Freundin Dina. Der Fokus liegt auf Sydneys innerem Konflikt zwischen emotionaler Überforderung, Identitätskrise und übernatürlichen Intermezzi. Kritiker lobten besonders Lillis’ schauspielerische Leistung und die authentische, rohe Emotionalität der Serie. Eine zweite Staffel war ursprünglich geplant, wurde jedoch nie realisiert. Wie in Adolescence geht es auch hier um jugendliche Wut, Selbstfindung und das Gefühl, nicht in die eigene Welt zu passen – nur dass das Übernatürliche diese Konflikte noch intensiver spiegelt.
2. Sex Education (2019)
Mit Sex Education gelang der Serienentwicklerin Laurie Nunn und dem Regie-Duo Ben Taylor und Kate Herron 2019 ein toller Netflix-Hit. Im Zentrum der Serie steht Otis Milburn (Asa Butterfield), ein relativ unbeholfener Teenager, der gemeinsam mit der Außenseiterin Maeve Wiley (Emma Mackey) eine Sexualtherapie-Klinik an seiner Schule gründet. Als Vorbild dient ihm dabei seine Mutter Jean, brillant gespielt von Gillian Anderson, die selbst als Sexualtherapeutin arbeitet. Kritiker:innen lobten die Serie als herzergreifend, Zuschauer zeigten sich von dem Witz, aber auch dem emotionalen Tiefgang begeistert. Adolescence-Fans finden hier eine Serie mit jeder Menge emotionaler Komplexität, in Erinnerung bleibenden Charakteren – und Themen mit gesellschaftlicher Relevanz. Die vierte und finale Staffel erschien 2023.
3. Skins – Hautnah (2007)
Ausgestrahlt wurde die britische Produktion erstmals 2007 auf dem Sender Channel 4. Die Serie, die von Bryan Elsley und Jamie Brittain entwickelt wurde, dreht sich um eine Gruppe Jugendlicher im britischen Bristol. Deren Alltag ist geprägt von Drogen, Sexualität, familiären Konflikten und psychischer Gesundheit. Zwei Staffeln lang – mit wechselnder Besetzung (u. a. Nicholas Hoult, Kaya Scodelario und Dev Patel) – wurde hier eine eindringliche Coming-of-Age-Geschichte erzählt. Die Kritik war begeistert und hielt Skins für eine der bemerkenswertesten Jugendserien überhaupt. Adolescence-Fans kommen hier thematisch voll auf ihre Kosten und bekommen von Regisseur Paul Gay ein authentisches, starkes Portrait der Jugend serviert. Insgesamt wurden sieben Staffeln produziert, aufgeteilt in drei Generationen. Wer Adolescence mochte, wird auch „Skins“ schätzen – wegen seiner radikalen Ehrlichkeit, seiner rohen Sprache und dem schonungslosen Blick auf das Chaos des Erwachsenwerdens.
4. Euphoria (2019)
Basierend auf einer israelischen Miniserie gleichen Namens schuf Sam Levinson die emotional schonungslos erzählte Serie Euphoria,, die erstmals im Juni 2019 beim US-Sender HBO ausgestrahlt wurde. Die Hauptrolle übernimmt US-Star Zendaya, die die drogensüchtige Teenagerin Rue spielt – eine junge Frau, die nach einem Entzug versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Unterstützung findet sie unter anderem bei ihrer transidenten Freundin Jules (Hunter Schafer), mit der sie eine komplizierte Beziehung entwickelt. Euphoria glänzt in mehrfacher Hinsicht: Einerseits durch seine visuell außergewöhnliche Bildsprache und den atmosphärischen Soundtrack, andererseits durch seine schonungslose Ehrlichkeit und exzellente Besetzung. Staffel 3 soll voraussichtlich 2025 erscheinen und wird bereits heiß erwartet. Wie auch „Adolescence“ taucht „Euphoria“ tief in Themen wie Abhängigkeit, Identität und seelische Verletzlichkeit ein – nur noch greller, kompromissloser und visuell opulenter. Thematisch berührt die Serie ähnliche Abgründe wie Adolescence – Einsamkeit, Scham und das Schweigen der Erwachsenen –, führt sie aber konsequent in ein deutlich düstereres Szenario.
5. Willkommen im Leben (1994)
Willkommen im Leben, im englischen Original My So-Called Life, ist ein absoluter Klassiker unter den Coming-of-Age-Serien – und prägte das Genre nachhaltig. Die Serie begleitet die 15-jährige Angela Chase (Claire Danes) beim Erwachsenwerden, mit all den damit einhergehenden Wirrungen: Rebellion, erste große Gefühle, familiäres Chaos, Unsicherheiten, Freundschaften und Enttäuschungen. In einer weiteren Hauptrolle ist Jared Leto als Jordan Catalano zu sehen. Willkommen im Leben ist rührend, ehrlich, feinfühlig – und ist eine der ersten Serien, die das Leben (auch das Seelenleben von Teenagern) so sehr und differenziert in den Vordergrund gestellt hatte. Heute gilt die Serie als Kult, nicht nur unter Millennials. Adolescence-Fans erkennen hier den Ursprung vieler heutiger Coming-of-Age-Erzählungen: dieselbe leise Verzweiflung, dieselbe Sehnsucht nach Selbstdefinition – nur ohne Smartphone, Ironie und Distanz. Willkommen im Leben ist das fragile Original, bevor das Genre zynisch oder überinszeniert wurde.
6. Tote Mädchen lügen nicht (2017)
Richtig düster geht es im Netflix-Hit Tote Mädchen lügen nicht. Im Mittelpunkt steht die 17-jährige Schülerin Hannah Baker (Katherine Langford), die sich das Leben nimmt und 13 Kassetten hinterlässt – jede davon adressiert an eine Person, die zu ihrer Entscheidung beigetragen hat. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jay Asher und stellt vor allem Clay Jensen (Dylan Minnette) in den Vordergrund, der versucht, Hannahs Tod zu verstehen. Tote Mädchen lügen nicht sorgte weltweit für Aufmerksamkeit, wurde gefeiert, aber auch von Eltern, Pädagogen und Fachleuten zum Teil sehr kritisch diskutiert, da das Themengebiet und seine Darstellung ein großer Drahtseilakt ist. Eine Triggerwarnung ist bei dieser Serie absolut angebracht.
7. Dare Me (2019)
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Megan Abbott begleitet Dare Me zwei Cheerleaderinnen – Addy Hanlon (Herizen Guardiola) und Beth Cassidy (Marlo Kelly) – deren enge, aber toxische Freundschaft durch die Ankunft einer neuen Trainerin (Willa Fitzgerald) aus dem Gleichgewicht gerät. Es geht um Ehrgeiz und Loyalität, Manipulation und Macht, Vertrauen und Verrat. Dare Me lebt nicht nur von seinem dramaturgischen Spannungsbogen, der vielschichtigen Charakterentwicklung und der starken schauspielerischen Leistung, sondern auch von der Atmosphäre an sich: schwebend, düster, oft bedrohlich und psychologisch aufgeladen – und das erzählt aus einer weiblichen Perspektive. Die Serie wurde nach nur einer Staffel eingestellt, was viele Fans enttäuschte. Wie Adolescence blickt auch diese Serie tief in seelische Krisen und das soziale Vakuum jugendlicher Isolation – allerdings verpackt sie diese Themen in ein erzählerisch härteres, fast kriminalistisches Umfeld.
8. The OA (2016)
Teils realistisch, teils fast übernatürlich geht es in The OA zu – einer Serie aus der Feder von Brit Marling und Zal Batmanglij, die 2016 bei Netflix Premiere feierte. Zwischen Science-Fiction, Mystery und Drama mit philosophischem Unterbau behandelt die Serie große Themen wie Identität, Trauma, Glaube und Zugehörigkeit. Die Handlung: Eine ehemals blinde Frau namens Prairie (gespielt von Brit Marling) kehrt, nachdem sie viele Jahre als verschwunden galt, plötzlich zurück. Noch spektakulärer: Sie kann plötzlich wieder sehen. Das Rätsel, was in der Zeit ihres Verschwindens passierte, gilt es aufzulösen. Stück für Stück erzählt sie diese Geschichte. Die Absetzung nach Staffel 2 führte zu internationalem Protest. Wer in Adolescence die existenziellen Fragen nach Selbst, Schuld und Zugehörigkeit schätzte, findet in The OA deren spirituelle Fortsetzung – größer gedacht, entrückter, fast schon wie ein Fiebertraum über Identität und Erlösung.
9. Everything Sucks! (2018)
Wer sich nach Retro- und Nostalgievergnügen sehnt, bekommt mit Everything Sucks! eine Coming-of-Age-Serie mit genau diesem Flair geboten. Regisseur Michael Mohan entführt uns ins verschlafene Örtchen Boring, Oregon – und begleitet eine Gruppe Teenager bei ihren alltäglichen Kämpfen mit sich selbst und der Welt. Wie für das Genre typisch geht es um Identitätsfindung, Zugehörigkeit und das oft schmerzhafte Erwachsenwerden. Die Serie geizt nicht mit Melancholie, schafft es aber, die kleinen alltäglichen Momente mit Wärme und Witz darzustellen. Auch die Hauptdarsteller:innen – Jahi Di’Allo Winston als Film-Nerd Luke und Peyton Kennedy als nachdenkliche Kate – überzeugen mit viel Feingefühl. Leider wurde die Serie nach nur einer Staffel abgesetzt. Fans von Adolescence werden hier vertraute Töne wiederfinden – das Ringen um Zugehörigkeit, die Unsicherheit der ersten Liebe, den Schmerz des Andersseins. Doch Everything Sucks! erzählt all das mit warmem Licht, VHS-Körnung und einem Hauch 90er-Jahre-Unschuld.
10. Heartstopper (2022)
Ebenfalls sehr empfehlenswert für Fans von Adolescence: Heartstopper. Mit dieser Serie, attestierten viele Kritiker:innen, gelang der britischen Autorin Alice Oseman eine der bemerkenswertesten Jugendserien der letzten Jahre. Die Netflix-Produktion basiert auf Osemans gleichnamiger Graphic Novel. Die Handlung: Der sensible Schüler Charlie verliebt sich in einen Mitschüler – und zwischen den beiden entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die mit großer Zurückhaltung und viel Feingefühl erzählt wird. Statt auf laute Dramatik setzt die Serie auf leise, filigrane Momente, in denen Nähe, Unsicherheit und Zuneigung vorsichtig ausgelotet werden. Staffel drei erscheint 2025 – der ideale Zeitpunkt, um jetzt einzusteigen oder die Serie noch einmal zu schauen. Wie Adolescence vertraut auch Heartstopper auf leise Wahrhaftigkeit statt großes Drama – auf Blicke, Gesten, Unsicherheiten. Doch wo bei Soderbergs Teenagern Dunkelheit lauert, bleibt hier Licht: zärtlich, vorsichtig und voller Hoffnung.










































