Lange bevor Serienkiller-Stoffe zu dem popkulturellen Massenphänomen wurden, das sie heute sind, prägte eine Serie das Bild des moralisch ambivalenten Killers: Dexter zeigt 2006 erstmals einen Serienmörder als charmanten Antihelden, der sein „Handwerk“ scheinbar mit so etwas wie einem Gewissen betreibt.
Doch Dexter ist kein Einzelfall: Auch andere Serien, die von Serienmördern erzählen, schaffen es mittlerweile, reale Gewalt und Schicksale nicht einfach nur in reißerische Unterhaltung zu verwandeln – sondern dazu herauszufordern, Täter und Opfer, Moral und Schuld neu zu betrachten. In diesem Ranking geht es um 10 Serien, die das Thema auf besonders raffinierte, eigenwillige oder stilistisch herausragende Weise neu interpretieren.
10. The Alienist (2018 – 2020)
Im New York des Jahres 1896 sucht ein Trio einen Serientäter, der junge, männliche Prostituierte ermordet: Dr. Laszlo Kreizler (Daniel Brühl), ein Psychologe der frühen Schule, arbeitet mit einem Zeitungsillustrator (Luke Evans) und Sara Howard (Dakota Fanning), der ersten Frau in der örtlichen Polizei zusammen. Gemeinsam kämpfen sie nicht nur gegen die Zeit, sondern auch gegen ein korruptes und misogynes System.
Besonders ist nicht nur der Fokus auf öffentlich tabuisierte Opfer und Fragen nach sozialer Verantwortung. The Alienist wirft schließlich auch einen Blick auf die Strukturen, die Täter hervorbringen – und die, die sie schützen. Wer gerne Thriller in historischen Settings sieht und Serien wie Ripper Street (2012) oder Penny Dreadful (2014) schätzt, dürfte sich hier besonders unterhalten fühlen.
9. In With the Devil (2022)
Ein Deal mit der Dunkelheit: In diesem auf wahren Ereignissen basierenden Psychodrama wird der inhaftierte Drogendealer Jimmy Keene (Taron Egerton) vom FBI beauftragt, das Vertrauen des mutmaßlichen Serienmörders Larry Hall (Paul Walter Hauser) zu gewinnen – und ihm ein Geständnis zu entlocken. In With the Devil verzichtet auf effekthascherischen Serienmord und konzentriert sich auf psychologische Spannung, moralisches Dilemma und die Frage, wie sich Wahrheit in einem Raum voller Täuschung erkämpfen lässt.
Das erinnert mitunter an Mindhunter – ist aber weniger aus Sicht der Ermittler erzählt, sondern vor allem aus der eines unfreiwilligen Mitspielers. Das Ergebnis ist ein intensives Kammerspiel, das Gänsehaut durch zwischenmenschliche Zwischentöne anstatt durch Action erzeugt.
8. Der Pass (2019–2022)
In den Alpen, auf der deutsch-österreichischen Grenze, wird eine Leiche gefunden – drapiert wie bei einem heidnischen Ritual. Die deutsche Kommissarin Ellie Stocker (Julia Jentsch) und der österreichische Ermittler Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek) könnten unterschiedlicher kaum sein: Sie ehrgeizig und regelkonform, er zynisch und intuitiv. Gemeinsam jagen sie einen Serienmörder, der seine Opfer nach einem dunklen Mythos auswählt.
Der Pass nutzt das Serienmörder-Sujet, um von regionaler Identität, geschichtlichen Traumata und institutioneller Blindheit zu erzählen. Für Fans von The Bridge (2013) und allen, denen es in Crime-Storys nicht nur um den Täter geht, sondern auch um das, was die Gesellschaft gerne übersieht – inszeniert mit bedrückender Bildkraft und starkem Schauspiel.
7. Bienenschwarm (2023)
Donald Glovers Serienkiller-Parabel verwebt Popkultur, Fanatismus und Gewalt zu einem fiebrigen Albtraum: Im Zentrum steht Dre, eine junge Frau, deren Obsession mit der Beyoncé-ähnlichen Sängerin „Ni’Jah“ tödliche Konsequenzen hat: Nach einer familiären Tragödie beginnt sie, die Kritiker ihres Idols gnadenlos zu eliminieren.
Die Serie nutzt das Serienmörder-Motiv metaphorisch, für einen zeitgeistigen Kommentar zu wahnhafter Fankultur und „Social Media“-Sucht. Bienenschwarm schwankt dabei zwischen düsterem Drama, bissiger Satire und surrealem Horror – und gesellschaftlicher Scharfsinn trifft auf prominente Cameos (u. a. Billie Eilish). Besonders interessant für Fans von Atlanta (2016-2022) und Euphoria (seit 2019).
6. American Horror Story: 1984 (2019)
Ein Sommerlager, ein Killer, ein blutiger Rückblick auf das Slasher-Zeitalter: American Horror Story: 1984 ist gewissermaßen eine Meta-Erzählung über die lange währende mediale Begeisterung mit Serienmördern. Der Täter gibt keine psychologischen Rätsel auf, sondern ist Teil eines überzeichneten und stilisierten Genre-Spiels: Maskierung, Final Girls, Flashbacks.
Doch hinter dem Retro-Kitsch steckt auch subtile Kritik – an sensationslüsterner Berichterstattung, an moralischer Panik und an der Mythologisierung der Killer. Für Fans von Retro-Charme à la Stranger Things (2016) mit einer Offenheit für „Camp“ genauso interessant wie für Fans der Stoffe, an denen sich Ryan Murphy hier bedient – wie Halloween (1978) oder Scream (1996).
5. Hannibal (2013–2015)
Mit Bryan Fullers Hannibal wurde der kultivierte Kannibale endgültig zur Kunstfigur: Mads Mikkelsen spielt Dr. Hannibal Lecter nicht als (offen) brutales Monster, sondern als ästhetisches Rätsel – Therapeut, Gourmet und Mörder in einem. Die Serie folgt FBI-Profiler Will Graham, dessen sensible Psyche ihn näher an Hannibal heranführt, als ihm lieb ist.
Hannibal ist weniger Krimi als düsteres Kammerspiel über Abhängigkeit, Manipulation und die absurde Schönheit im Grauen – und ist dabei so künstlerisch zugespitzt, dass die Serie erst gar nicht in die Nähe stupider „True Crime“-Sensationslust kommt. Für Fans von stilisiertem Art-Horror, wie man ihn von Ari Asters Midsommar (2019) oder Alex Garlands Men (2022) kennt, besonders empfehlenswert.
4. Deadloch (2023)
In der verschlafenen Küstenstadt Deadloch in Tasmanien wird ein Mann tot aufgefunden – und schnell wird klar: Es war kein Einzelfall. Zwei Ermittlerinnen übernehmen den Fall: die nüchtern-professionelle Dulcie Collins (Kate Box) und die laute, ruppige Eddie Redcliffe (Madeleine Sami), die extra aus Darwin eingeflogen wird. Was wie ein klassischer Whodunit beginnt, entwickelt sich schnell zur ungewöhnlichen Krimi-Satire mit Serienkiller-Spannung.
Mit viel schwarzem Humor nimmt die Serie sowohl das Polizei-Prozedere als auch gesellschaftliche Stereotype auseinander. Anders ausgedrückt: Deadloch kombiniert echten Thrill mit schrägen Figuren, bissigem Witz – und erinnert mitunter an Serien wie Broadchurch (2013-2017) und Fargo (seit 2014). Überraschend, klug und wunderbar absurd.
3. Mindhunter (2017–2019)
Basierend auf echten FBI-Fällen taucht David Fincher in die Anfänge der Profiler ein: Mindhunter begleitet zwei Agenten, die in den 1970er Jahren die ersten Täterprofile erstellen – durch Interviews mit Serienmördern wie Ed Kemper oder Charles Manson versuchen sie, ihre Abgründe besser zu verstehen und neue Wege der Verbrechensaufklärung zu entwickeln.
Kein Serienkiller wird hier glorifiziert – stattdessen werden Mythen dekonstruiert und strukturelle Fragen über Männlichkeit, Macht und das Böse, das System hat, aufgeworfen. Mindhunter ist klug, analytisch und fordert Geduld: Für „True Crime“-Fans, die keine Action brauchen, sondern dichte Atmosphäre, kluge Dialoge und echte Erkenntnisse schätzen.
2. American Crime Story: Der Mord an Gianni Versace (2018)
Andrew Cunanan tötete in den 1990er Jahren fünf Männer – zuletzt den berühmten Modedesigner Gianni Versace. Die zweite Staffel der Anthologie-Serie American Crime Story zeichnet diese Mordserie rückwärts nach: vom medial wirksamsten Verbrechen bis hin zu den ersten Taten, die kaum Aufmerksamkeit fanden. Im Zentrum steht weniger das „Warum“ des Täters als die Frage, wie ein Mann wie Cunanan in anderen, weniger vermögenden gesellschaftlichen Milieus nahezu unbehelligt morden konnte.
Darren Criss verkörpert den manipulativen Cunanan mit mitreißender Intensität – nicht als Mythos, sondern als Mann, der von Geltungsdrang und internalisierter Homophobie getrieben war.
1. Dexter (2006–2013; 2021, 2024, 2025)
Keine andere Serie hat das Erzählen von Serienkillern so grundlegend geprägt und die Perspektive auf das Thema derart revolutioniert wie Dexter: Dexter Morgan ist forensischer Blutspezialist beim Miami Police Department – und gleichzeitig ein Mörder, der nur andere Mörder tötet. Die Erzählung nach Jeff Lindsay macht ihn zum Identifikationspunkt und legt dabei schonungslos die Widersprüche zwischen Sympathie, Grauen und eigenem Gewissen offen – ein Impulsgeber, auf den viele anspruchsvolle Serien später Bezug genommen haben.
Dexter ist insbesondere interessant für jene, die komplexe Antihelden wie Saul Goodman (Better Call Saul, 2015-2022) oder Don Draper (Mad Men, 2007-2015) schätzen.































































































































































































































