Es ist lange her, dass japanische Zeichentrickfilme – oder „Anime“, wie man heute auch hierzulande eher nennt – in Europa als Nischenphänomen galten. Klar, viele erinnern sich noch: In den 1990er-Jahren liefen Dragon Ball Z oder Sailor Moon spätabends im Fernsehen, irgendwo zwischen Kult und Kuriosität. Und das war’s dann auch.
Dreißig Jahre später hat sich alles geändert. Anime ist nicht mehr Underground, sondern Mainstream – und zwar weltweit. Neon trifft auf Nostalgie, Popkultur auf Pathos. Kinos sind voll, die Fangemeinden global vernetzt, und die Umsätze liegen längst im dreistelligen Millionenbereich. Im Sommer 2025 geschieht dann etwas Historisches: Demon Slayer: Infinity Castle bricht sämtliche Rekorde und lässt alles, was zuvor war, alt aussehen. Die Anime-Industrie hat ihr Hollywood-Moment erlebt – laut, bildgewaltig, grenzenlos erfolgreich. Grund genug, einmal genauer hinzusehen: Welche Filme haben diese Entwicklung geprägt? Welche Geschichten, Studios und Regisseure haben Anime vom TV-Geheimtipp zum globalen Kinoereignis gemacht? Hier sind sie – die zehn erfolgreichsten Anime-Filme aller Zeiten.
1. Demon Slayer: Kimetsu no Yaiba – The Movie: Infinity Castle (2025)
Auf Platz eins steht, wie gesagt, Demon Slayer: Kimetsu no Yaiba – The Movie: Infinity Castle. Damit gelingt Regisseur Haruo Sotozaki und dem Studio Ufotable ein absoluter Geniestreich. Was hier geboten wurde, war nicht einfach nur der große Abschluss einer Filmreihe, sondern ein apokalyptisches Anime-Fest, ein cineastisches Feuerwerk und eine wahre Augenweide. Von der Story angefangen bis hin zur technischen Umsetzung hat man es hier mit einem absoluten Meisterwerk zu tun – einem, wie man es sonst nur von den ganz großen Namen des Weltkinos kennt. Tanjiro Kamado und seine Gefährten stehen im titelgebenden Unendlichkeitsschloss ihrem Erzfeind Muzan Kibutsuji gegenüber, und was folgt, ist pure Kinomagie. Die Animationen sind atemberaubend, der Schnitt fast musikalisch, und der Soundtrack von Yuki Kajiura und Go Shiina trägt jede Szene wie ein Herzschlag.
Mit einem weltweiten Einspielergebnis von rund 640 Millionen Dollar ist Infinity Castle der erfolgreichste Anime-Film aller Zeiten und gleichzeitig der Beweis, dass japanische Animation endgültig in der ersten Liga des internationalen Kinos spielt.
2. Demon Slayer: Kimetsu no Yaiba – The Movie: Mugen Train (2020)
Bevor Infinity Castle das Zepter in die Hand nahm, war sein Vorgänger Mugen Train der absolute Spitzenreiter, was animierte Kinokassen anging. 2020 spielte der Film sagenhafte 512 Millionen Dollar ein und rettete quasi die japanische Filmwirtschaft im Alleingang. Regisseur Haruo Sotozaki bietet hier genau das, was Fans von Demon Slayer sehen wollen: ein technisches Feuerwerk, ein Spektakel für die Augen, Helden, die zwischen Mut, Schmerz und Opferbereitschaft schwanken, und eine unverkennbare Handschrift irgendwo zwischen Pathos, Blut und Katharsis im besten Shakespeare-Sinne.
Die Geschichte führt Tanjiro, Nezuko und ihre Freunde in einen mysteriösen Zug, in dem ein Dämon die Träume der Passagiere kontrolliert. Was als Mission beginnt, wird schnell zu einer emotionalen Reise zwischen Leben und Tod. Besonders der Flammen-Hashira Kyojuro Rengoku wurde durch diesen Film zur Kultfigur – sein Kampf, sein Lächeln, sein Ende. Mugen Train wurde weltweit gefeiert und machte Anime endgültig salonfähig – auch außerhalb Japans.
3. Your Name. (Kimi no Na wa, 2016)
Einige Jahre bevor Demon Slayer das internationale Anime-Kino dominierte, war Makoto Shinkais Your Name. der absolute Spitzenreiter. Mit einem Einspielergebnis von rund 405 Millionen Dollar wurde der Film zu einem weltweiten Phänomen – und brachte Shinkai den Ruf eines „modernen Miyazaki“ ein (gemeint ist Hayao Miyazaki, der legendäre Regisseur von Spirited Away und Mitgründer von Studio Ghibli).
Produziert wurde Your Name. von CoMix Wave Films und begeistert durch seine spektakuläre Bildsprache: leuchtende Stadtpanoramen, detailreiche Naturaufnahmen und ein Spiel mit Licht, Farbe und Perspektive, das man in dieser Perfektion selten sieht. Getragen wird der Film von der Musik der japanischen Band RADWIMPS, deren melancholisch-melodische Songs perfekt mit Shinkais Erzählrhythmus verschmelzen. Die Geschichte zweier Jugendlicher, die auf geheimnisvolle Weise Körper tauschen und sich über Raum und Zeit hinweg zu erkennen versuchen, ist weit mehr als Fantasy – sie ist ein stilles Nachdenken über Identität, Schicksal und Verbundenheit. Your Name. ist ein Film für alle, die in Geschichten philosophische Tiefe, emotionale Ehrlichkeit und visuelle Poesie suchen – für Träumer, Romantiker, Nachtschwärmer.
4. Spirited Away (2001)
Wie ein Fels in der Brandung der Anime-Geschichte stehtSpirited Away da – sozusagen der Urknall der modernen Anime-Magie. Verantwortlich dafür ist Hayao Miyazaki, der Anfang der 2000er-Jahre ganze Welten erschuf: Märchenwelten, Geisterwelten, Traumwelten – und all das mit einer erzählerischen Feinfühligkeit, die bis heute ihresgleichen sucht.
Der Film spielte weltweit rund 395 Millionen Dollar ein und gilt als unumstößlicher Klassiker des Studio Ghibli. 2003 gewann Spirited Away den Oscar für den besten animierten Spielfilm – als erster Anime in der Geschichte dieser Kategorie.
Inhaltlich ist es ein Coming-of-Age-Märchen, in dem die junge Chihiro versehentlich in eine Geisterwelt gerät und dort lernen muss, Mut und Selbstvertrauen zu finden. Miyazaki verbindet in diesem Film Umweltbewusstsein, Kapitalismuskritik und kindliche Fantasie zu einem Gesamtkunstwerk, das Öko-Fabulismus und philosophische Tiefe auf organische Weise verwebt. Spirited Away ist das perfekte Beispiel für Miyazakis Handschrift: handgezeichnete Perfektion, poetischer Realismus, und Figuren, die sich zwischen Menschlichem und Mythischem bewegen. Ein Film voller Nostalgie und Vorwärtsgewandtheit – magisch, melancholisch, monumental.
5. Suzume no Tojimari (2022)
Das Besondere an Suzume no Tojimari von Makoto Shinkai ist nicht so sehr, was erzählt wird, sondern wie. Shinkai bleibt seiner Vision treu – hyperrealistische Landschaften, farbgewaltiges, alles überstrahlendes Licht und eine sich durchziehende, stille Melancholie.
Mit Suzume no Tojimari gelingt ihm ein weiterer Welterfolg: Der Film spielte weltweit rund 323 Millionen Dollar ein und wurde zu einem der erfolgreichsten japanischen Werke der letzten Jahre. Erzählt wird die Geschichte der 17-jährigen Suzume, die durch ein verzaubertes Japan reist, um Türen zu schließen, die Katastrophen freisetzen. Klingt fantastisch – ist es auch –, aber unter der Oberfläche geht es um Verlust, Erinnerung und Heilung. Shinkai schafft es erneut, persönliche Emotionen und Naturgewalten miteinander zu verknüpfen: Er erzählt vom Aufstehen nach dem Schmerz, von menschlicher Verletzlichkeit im Angesicht des Unbegreiflichen. Suzume no Tojimari ist kein Katastrophenfilm, sondern eine poetische Meditation über die Verbindung zwischen Mensch und Welt.
6. The First Slam Dunk (2022)
Zugegeben, Basketball ist vielleicht nicht das erste Thema, das man automatisch mit Anime verbindet. Doch The First Slam Dunk aus dem Jahr 2022, geschrieben und inszeniert von Takehiko Inoue, beweist eindrucksvoll, dass Sportgeschichten auf der großen Leinwand ebenso emotional, tief und bildgewaltig sein können wie jedes Fantasy-Epos. Inoue, der bereits den legendären Manga Slam Dunk erschaffen hat, führt sein eigenes Werk hier zu einem filmischen Höhepunkt. Im Zentrum steht Ryota Miyagi, ein stiller, ehrgeiziger Point Guard, der nicht nur um den Sieg auf dem Spielfeld kämpft, sondern auch mit den Schatten seiner Vergangenheit ringt. Visuell überzeugt The First Slam Dunk durch die Kombination klassischer Handzeichnung und moderner 3D-Technik, umgesetzt vom Studio Toei Animation. Jede Bewegung, jeder Pass und jeder Blick trägt Inoues unverwechselbare Handschrift. Das Resultat ist ein Sportfilm, der selbst Zuschauer fesselt, die mit Basketball bislang wenig anfangen konnten. Mit weltweit über 279 Millionen Dollar Einspielergebnis zählt der Film zu den erfolgreichsten Anime-Produktionen aller Zeiten. In Japan und Südkorea löste er eine wahre Kinowelle aus – ein Beweis dafür, dass Emotion, Disziplin und Teamgeist universelle Sprachen sind.
7. One Piece Film: Red (2022)
Auch nach über tausend Folgen ist das One Piece-Universum alles andere als auserzählt – das beweist One Piece Film: Red, der 2022 auf Platz sieben unserer Liste segelt. Regisseur Gorō Taniguchi inszeniert hier ein Spektakel, das Action, Musik und Emotionen in typischer One Piece-Manier miteinander verschmilzt. Mit einem weltweiten Einspielergebnis von rund 246 Millionen Dollar ist der Film ein Riesenerfolg – und eine respektable Leistung für ein Franchise, das schon seit über zwei Jahrzehnten läuft. Taniguchi setzt auf seine charakteristischen, farbgesättigten Bildkompositionen und eine spürbare Nähe zu den Figuren. Er schickt Luffy und seine Crew diesmal auf ein Abenteuer der anderen Art: in die Welt der Musik. Im Mittelpunkt steht Uta, eine charismatische Sängerin – und, wie sich herausstellt, die Tochter des legendären Shanks. Zwischen Popkonzert, Piratenkrieg und Vater-Tochter-Drama entwickelt sich eine Geschichte über Identität, Idealismus und den Preis von Träumen.
8. Howl’s Moving Castle (2004)
Mit Howl’s Moving Castle zeigte Hayao Miyazaki 2004 erneut seine unverwechselbare Magie – und das internationale Publikum war sofort hingerissen. Das Anime-Genie verwandelte die Vorlage von Diana Wynne Jones in eine bildgewaltige Antikriegsparabel in Pastellfarben, die weltweit über 237 Millionen Dollar einspielte und heute als einer der zentralen Ghibli-Klassiker gilt. Thematisch bringt Miyazaki hier viele seiner wiederkehrenden Motive zusammen: Pazifismus, Umweltbewusstsein, Selbstfindung und die Suche nach Sinn in einer zerrissenen Welt. Die Geschichte um Sophie, eine junge Frau, die durch einen Fluch zur Greisin wird, und den geheimnisvollen Zauberer Howl ist zugleich Liebeserklärung und Gesellschaftskritik – erzählt in schwebenden Bildern, die zwischen Himmel, Dampfmaschinen und Zauberei changieren.
9. Ponyo – Das große Abenteuer am Meer (2008)
Und wieder Miyazaki. 2008 kehrte er mit Ponyo – Das große Abenteuer am Meer in seine eigene Kindheit zurück – und zeigte uns dabei unsere gleich mit. Inspiriert von Hans Christian Andersens Die kleine Meerjungfrau, erzählt Miyazaki die Geschichte der kleinen Fischprinzessin Ponyo, die aus dem Meer entflieht, sich in einen Jungen verliebt und damit die Ordnung der Natur gehörig durcheinanderbringt.
Der Film ist so etwas wie die Version der Little Mermaid, die Disney nie zu drehen wagte: ein handgezeichnetes, analoges Märchen über Freundschaft, Natur und das staunende Entdecken der Welt. Statt Hochglanz setzt Miyazaki auf weiche Linien, schwebende Häuser, bewegte Wasseroberflächen und eine fast kindliche Perspektive, die den Zuschauer zurück in seine eigene Neugier führt. Mit einem weltweiten Einspielergebnis von 204 Millionen Dollar wurde Ponyo zum internationalen Hit – und zu einem der zärtlichsten Werke in Miyazakis Schaffen.
10. Jujutsu Kaisen 0 (2021)
Den zehnten Platz belegt Jujutsu Kaisen 0 aus dem Hause MAPPA – jenes Studio, das in den letzten Jahren mit Produktionen wie Attack on Titan und Chainsaw Man den modernen Action-Anime geprägt hat. Der Film von Regisseur Seong-Hu Park spielte weltweit rund 196 Millionen Dollar ein und bewies, dass das Franchise auch ohne seinen Serienhelden Yuji Itadori glänzen kann. Die Geschichte folgt Yuta Okkotsu, einem jungen Mann, der vom Fluch seiner verstorbenen Kindheitsfreundin heimgesucht wird. Um zu lernen, die übernatürlichen Kräfte zu beherrschen, schließt er sich der Jujutsu-Schule an – und findet sich bald mitten in einem Wirbel aus Kämpfen, Geistern und moralischen Konflikten wieder. MAPPA entfesselt hier visuelle Energie pur: Kampfszenen, die wie Donnerschläge wirken, ein choreografiertes Gewitter aus Bewegung, Kraft und Emotion. Der Film ist düster, laut, manchmal brutal, aber immer mit Herz.






























































































































































































































