Es gibt eine Reihe von mystischen und wiederkehrenden Orten im Universum von Horror-Gott Stephen King … Derry ist ohne Zweifel einer davon. Wie wenige andere Orte in der King-Kartografie steht Derry für kleinstädtische Fassade, tiefe Finsternis und unheilvolle Wiederholungen.
Über Jahrzehnte hinweg diente der Ort im imaginären Maine für den Autor als seismografisches Nervenzentrum, als Spiegelbild amerikanischer Ängste und verdrängter Schuld und als perfekte Kulisse für kosmischen Horror und menschliche Tragödien.
Immer wieder kehrt King nach Derry zurück, weil hier alles zusammenfließt: Kindheitsängste, gesellschaftliche Spannungen, historische Traumata. Derry ist ein Ort, der zugleich real wirkt und von übernatürlicher Energie durchzogen ist, ein Brennpunkt, in dem das Böse zyklisch erwacht und die Stadtbewohner in kollektives Schweigen zwingt. Wir widmen uns allen Stephen-King-Filmen und TV-Shows, in denen Derry der tragende Ort ist und gehen dabei bis zum Anfang zurück.
1. Es (1990, Miniserie)
1990 nahm alles in Kings Derry-Kosmos seinen Anfang, und zwar in der legendären Miniserie Es. Wir schreiben das Jahr 1958, und King nimmt uns hier mitten hinein ins giftige Herz einer vermeintlich idyllischen Kleinstadt, in der Kinder spurlos verschwinden und Erwachsene konsequent wegsehen. Wir sehen dem Club der Verlierer dabei zu, wie er seine ersten Schritte in Richtung Selbstermächtigung macht, wie Freundschaft, Trauma und Mut untrennbar ineinandergreifen. Tim Currys Pennywise indes sorgt für eine der prägendsten Horrorfiguren des Jahrzehnts: clownesker Spott, kalte Grausamkeit und eine Präsenz, die selbst harmlose Straßenlaternen bedrohlich wirken lässt. Und am Ende ist alles vergiftet, verwundet, traumatisch, ein Derry, das sich wie ein lebender Organismus anfühlt und dessen Bosheit weit über die Kanalisation hinausreicht. Die Miniserie legte damit das Fundament für alles, was später folgte: die Ästhetik, die Mythologie und die unheilvolle Atmosphäre des wohl berühmtesten Ortes im Stephen-King-Universum.
2. Dreamcatcher (2003)
Okay, zugegeben: Der Großteil von Dreamcatcher spielt in einer verschneiten Waldhütte im US-Bundesstaat Maine, aber dennoch ist Derry hier das unbestrittene Epizentrum der Geschichte, denn die Stadt dient als zentraler historischer Ausgangspunkt für alles, was später eskaliert. Wir sehen im Rückblick Orte wie das Derry Memorial Hospital oder typische Straßenzüge, die sofort signalisieren: Hier war einmal etwas Grundsätzliches faul. Derry wird als Herkunftsort einer Freundschaft dargestellt, die tief von Trauma, Außenseiterdasein und einem schicksalhaften Kindheitsversprechen geprägt ist. Die Begegnung mit Duddits wirkt wie ein uralter Funke, der sich später als übernatürliches Feuer entlädt. Gleichzeitig fungiert Derry als atmosphärischer Hinweis darauf, dass der Ort selbst in Abwesenheit von Pennywise weiterhin ein magnetischer Brennpunkt für das Unheimliche bleibt, ein Ort, an dem außergewöhnliche Kinder, dunkle Kräfte und unausgesprochene Schuld unweigerlich kollidieren.
3. Es (2017)
2017 wurde es dann eine Nummer größer für Derry, sowohl cineastisch als auch budgetär. Unter der Regie von Andy Muschietti und mit Bill Skarsgård in der Hauptrolle als Pennywise sorgte die Neuverfilmung von Es für einen globalen Horror-Hype, wie man ihn im Stephen-King-Kosmos lange nicht gesehen hatte. Hier ist Derry als fiebriges, zerfallendes Herzstück dargestellt, als Ort der Vernachlässigung, der schwelenden Gewalt, der gebrochenen Familien und als Schauplatz für die kindliche Selbstbehauptung des Club der Verlierer. Die Kanalisation wirkt wie ein pulsierendes Organ, die Barrens wie ein verwundetes Biotop und die Neibolt Street als Manifestation eines städtischen Alptraums. Dass Derry hier noch beklemmender und vor allem surrealer wirkt, ist der grandiosen Performance von Skarsgård zu verdanken, der Pennywise eine Mischung aus kindlicher Verspieltheit, animalischer Grausamkeit und kosmischer Fremdheit verleiht. Die 2017er-Version definierte Derry für eine neue Generation, bombastisch, unbarmherzig und ikonisch.
4. Es Kapitel 2 (2019)
Derry, 27 Jahre nach den Geschehnissen von It: In Es - Kapitel 2 geht um Rückkehr, um das Wiederaufflammen alter Wunden und um die unausweichliche Konfrontation mit dem, was man verdrängt hat. It Chapter Two zeigt die Stadt als ausgesprochen melancholisches Gegenstück zu ihrer 80er-Jahre-Version. Sie wirkt größer, funktionaler, erwachsener, aber noch immer durchzogen von den unsichtbaren Rissen, die so charakteristisch für Kings Derry-Darstellung sind. Wir sehen, was aus den Charakteren von früher wurde. Aus dem Mut vergangener Tage wurde Defensive, aus kindlicher Unschuld wurde ein fragiles Erwachsenenleben, das nur mühsam zusammengehalten wird. Und Derry? Das ist immer noch pulsierendes Gift und trügerische Idylle zugleich, ein Ort, an dem sich scheinbar niemand für das Offensichtliche interessiert.
5. 11.22.63 – Der Anschlag (2016, Miniserie)
Auch in der Miniserie 11.22.63 – Der Anschlag spielt Derry eine zentrale Rolle, nämlich eine, die Vergangenheit und Zukunft, Trauma und Zeitreise miteinander verbindet. Als Gegensatz zwischen beklemmendem Paralleluniversum und archetypischer US-Kleinstadt mit vermeintlicher Harmlosigkeit taugt Derry naturgemäß ganz hervorragend. Die Serie zeigt die Stadt in all ihrer vergifteten Nostalgie und unterschwelligen Bedrohlichkeit: Pastellfarbene Fassaden, freundliche Ladenfronten, Kinder auf Fahrrädern und doch liegt ein unübersehbarer Schatten über allem. In Stephen Kings Derry-Kosmos ist diese Miniserie deshalb so bemerkenswert, weil sie einerseits die Stadt in einem völlig neuen erzählerischen Kontext zeigt, andererseits aber auch die unsichtbaren Fäden offenlegt, die Kings Werke miteinander verweben. Einerseits wird Derry hier nicht als primärer Horror-Schauplatz genutzt, sondern als atmosphärischer Prüfstein für Jakes Reise.
6. Es: Welcome to Derry (2026, HBO)
2026 wird Derry erneut in den Fokus gestellt. Und wie! In der HBO-Serie Es: Welcome to Derry, einem Prequel zu den Muschietti-Filmen, werden wir zur Genesis, zum Ursprung allen Grauens mitgenommen. Die Serie katapultiert uns in die 1960er-Jahre, dorthin, wo sich die Schatten erstmals verdichten und die Stadt beginnt, ihre wahre, verstörende Natur preiszugeben. Da ist zum Beispiel Pennywise, der Horrorclown und die zentrale Figur von It, dessen frühe Manifestationen hier erstmals ausführlich beleuchtet werden. Oder die gesellschaftlichen Spannungen, die unter der Oberfläche brodeln: Rassismus, ökonomische Konflikte, verdrängte Schuld, generationenübergreifende Traumata. Welcome to Derry nutzt die längere Erzählzeit, um diese Faktoren als Teil eines lebendigen, toxischen Mikrokosmos zu erkunden. Für all jene, die vom schauderhaften Derry nicht genug kriegen können, wird It: Welcome to Derry jetzt schon zum Pflichttermin, ein Prestige-Horrorprojekt, das tiefer, düsterer und komplexer wird als alles zuvor im King-Kosmos.
































































































































































































































