Der Weihnachtsmann ist eine der am stärksten normierten Figuren der Popkultur. Kaum eine andere Rolle ist so eindeutig festgelegt – und damit gleichzeitig so anfällig für Brüche, Ironisierung und Überdehnung.
Zwischen moralischer Instanz, schlichtem Konsumtreiber, liebevoller Vaterfigur und leerer Projektionsfläche erzählt jede Santa-Version auch etwas über ihre Zeit: darüber, wie Arbeit gedacht wird, wie Autorität funktioniert, wie viel Zynismus man sich leisten kann, und wie dringend man noch an Güte glauben möchte.Diese Liste interessiert sich deshalb weniger für Bartlänge oder Rentierbestand als für Haltung. Welche Santas tragen ihren Mythos weiter, welche demontieren ihn produktiv, welche verraten ihn – und welche denken ihn neu? Von radikal entzaubert bis kollektiv organisiert, von warmherzig bis unerquicklich: Hier sind 10 besondere Weihnachtsmänner der Filmgeschichte.
11. J.K. Simmons – “Red One” (2024)
J.K. Simmons’ Weihnachtsmann ist weniger Figur als Konzept: Santa wird zur mythologischen Superinstanz, ist körperlich dominant, autoritär im Auftreten, und nahezu unverwundbar. Red One denkt Weihnachten als Action-Franchise, und Simmons fügt sich mit beeindruckender Präsenz ein. Sein Santa ist kein Menschenfreund, sondern ein Weltenlenker, befremdlich distanziert, effizient und beinahe militärisch organisiert. Das funktioniert vielleicht auf der Ebene des reinen Spektakels, emotional aber bleibt Red One unterkühlt. Der Film interessiert sich mehr für Weltenbau als für innere Konflikte. So bleibt dieser Santa ein imposantes Bild, ist ein seltsamer Gegenentwurf, aber kein berührender Charakter. Wenn man so will, ist er ein Weihnachtsmann der Gegenwart: groß, laut, durchdesignt – und ein wenig leer.
10. Ed Asner – “Buddy der Weihnachtself” (2003)
Ed Asners Santa ist mürrisch, überlastet und sichtbar genervt von der eigenen Legende. Buddy der Weihnachtself braucht diesen Kontrast, um seine naive Hauptfigur, den titelgebend Buddy (Will Ferrell) umso klarer herausarbeiten zu können. Dieser Santa verkörpert kein Ideal, sondern ist schlicht ein Mann, der das System kennt – und seine Schwächen. Asner spielt ihn mit trockenem Humor und einer Spur Melancholie: Weihnachten funktioniert nur noch, wenn jemand daran glaubt, doch das fällt ihm selbst zunehmend schwer. In einem Film voller Überdrehtheit ist dieser Santa der nüchterne Kern. Zwischen Gags und Slapstick ist er derjenige, der andeutet, dass (vermeintliche) Magie vor allem viel Arbeit bedeutet.
9. Paul Giamatti – “Die Gebrüder Weihnachtsmann” (2007)
Die Gebrüder Weihnachtsmann ist ein Film, der mehr will, als er kann – aber Paul Giamattis Weihnachtsmann hält das fragile Konstrukt erstaunlich gut zusammen. Sein Santa ist kein magisches Ideal, sondern ein überforderter CEO mit Burnout-Symptomen, der zwischen Effizienzdenken und moralischem Anspruch zerrieben wird. Paul Giamatti spielt ihn nicht als Tyrannen, sondern als jemanden, der an seiner eigenen Rolle (ver-)zweifelt. Das verleiht der Figur eine ungewohnte Tiefe: Weihnachten als Betrieb, Santa als Manager, Güte als berechenbare Ressource. Die Gebrüder Weihnachtsmann ist im Ton uneinheitlich, schwankt zwischen Sentimentalität und Zynismus, doch Paul Giamattis überzeugendes Spiel gibt seiner Figur eine gewisse Bedeutung. Kein ikonischer Santa, aber einer, der den Mythos auf produktive Weise entzaubert, und ihn damit in seiner Bedeutung ernst nimmt.
8. Ed Ivory (Stimme) – “Nightmare Before Christmas” (1993)
Tim Burtons Nightmare Before Christmas interessiert sich weniger für Weihnachten als für seine Projektionen. Der im Original von Ed Ivory gesprochene Santa (in der deutschen Fassung: Manfred Lichtenfeld) ist keine echte Identifikationsfigur, sondern ein kulturelles Missverständnis: eine Autorität, die Jack Skellington zwar bewundert, aber nie ganz begreift. Diese Version des Weihnachtsmanns wirkt fremd, leicht unheimlich, beinahe austauschbar, und erfüllt damit exakt ihre dramaturgische Funktion. Santa ist hier kein emotionaler Anker, sondern ein Symbol dafür, wie Rituale ausgehöhlt werden können, wenn sie aus ihrem Kontext gerissen werden. Er ist kein warmer Santa, kein zentraler – aber ein klug eingesetzter. Gerade weil er distanziert bleibt, funktioniert er als Kontrastfigur in einem Film über Aneignung, Fremdheit und Identität.
7. Kurt Russell – “The Christmas Chronicles” (2018)
Auch Kurt Russells Weihnachtsmann ist ein bewusster Bruch mit seinem Image: Rockstar statt Rauschebart-Ikone, Eitelkeit und Selbstbewusstsein statt Güte und Sentimentalität. Der Santa in The Christmas Chronicles ist cool, schlagfertig, körperlich präsent – aber nie zynisch. Gerade das unterscheidet ihn von reinen Anti-Santas. Russell spielt die Figur als jemanden, der Spaß an seiner Rolle hat, ohne sie zu karikieren. Der Film bleibt formelhaft, doch sein Santa ist zeitgemäß, publikumsnah und am Ende erstaunlich herzlich. Damit entwirft The Christmas Chronicles keinen metaphysisch angehauchten Weihnachtsmann, sondern einen Popstar des Festes – und als solcher ist er konsequent und überzeugend.
6. Tim Allen – “Santa Clause: Eine schöne Bescherung” (1994)
Santa Clause denkt Weihnachten als Zumutung: Wer Santa wird, verliert Kontrolle über Körper, Identität und Lebensentwurf. Tim Allen spielt diesen Prozess mit physischer Komik, aber auch mit spürbarem Widerstand. Dieser Santa will nicht auserwählt sein – und genau das macht ihn interessant. Weihnachten erscheint hier nicht als Wunsch, sondern als Verpflichtung. Der Film tarnt seine existenziellen Fragen als Familienkomödie, doch Tim Allens Spiel verleiht ihnen (ein gewisses) Gewicht. Ein Santa, der nicht glaubt, sondern wächst. Modern, widersprüchlich und erstaunlich ernsthaft unter der klamaukigen Oberfläche.
5. Richard Attenborough – “Das Wunder von Manhattan” (1994)
Richard Attenborough übernimmt die ikonische Rolle des Weihnachtsmanns in Das Wunder von Manhattan mit einer leisen, beinahe sanften Autorität. Sein Santa überzeugt weniger durch Magie als durch Haltung: In einer konsumgetriebenen Welt verkörpert er Werte wie Vertrauen, Aufrichtigkeit und Mitgefühl – ohne sie aufzudrängen. Die Neuverfilmung der 1990er Jahre ist glatter als das Original, aber Richard Attenborough verleiht ihr eine gewisse Würde. Gerade im Kontrast zur stärker kommerzialisierten Zeit wirkt dieser Santa fast altmodisch – aber auf produktive Weise. Sein Weihnachtsmann ist kein Märchenwesen, sondern eine moralische Idee in menschlicher Gestalt. Ein klassischer, humanistischer Weihnachtsmann, der weniger verzaubert als überzeugt.
4. Billy Bob Thornton – “Bad Santa” (2003)
Billy Bob Thorntons Anti-Santa ist die radikalste Entzauberung der Figur – und paradoxerweise eine der ehrlichsten. Bad Santa zeigt Weihnachten nicht als Fest der Liebe, sondern als gesellschaftliche Maske. Billy Bob Thorntons “Willie” ist dementsprechend vulgär, selbstzerstörerisch, von zweifelhafter Moral – und doch nicht ohne einen Rest an Mitgefühl. Gerade darin liegt die Provokation: Dieser Santa ist kein Gegenentwurf zum Mythos, sondern sein Zerrspiegel. Der Film zwingt sein Publikum, sich zu fragen, was wirklich von Weihnachten übrig bleibt, wenn man seine Symbolik entfernt. Billie Bob Thornton spielt das ohne ironische Distanz, was den Film riskant und wirkungsvoll macht. Ein Santa, der nicht gefallen will – und deshalb im Gedächtnis bleibt.
3. J.K. Simmons (Stimme) – “Klaus” (2019)
Klaus ist einer der wenigen Weihnachtsfilme, die den Mythos nicht ausschlachten, sondern wirklich hinterfragen: Wie entsteht eigentlich eine Legende – und wem nützt sie? Der Weihnachtsmann dieses Films ist kein allwissendes Wesen, sondern ein verletzter, zurückgezogener Mann, dessen Güte aus Verlust geboren wird. Gerade diese Erdung macht ihn so stark. Klaus erzählt als soziale Dynamik: Freundlichkeit verbreitet sich, weil sie gebraucht wird. Visuell betörend, erzählerisch klug und emotional präzise zeigt der Film, dass Mythos nicht vom Himmel fällt, sondern aus menschlicher Verbindung entsteht. Ein moderner Klassiker ohne Zynismus – und ohne falsche Sentimentalität.
2. Edmund Gwenn – “Das Wunder von Manhattan” (1947)
Edmund Gwenn definiert den Weihnachtsmann nicht über Magie, sondern über Würde. Sein Santa ist freundlich, aber nie allzu süßlich, durchaus bestimmt, aber nie autoritär. Das Wunder von Manhattan vertraut auf Ed Gwenns eindrückliche Präsenz – und gewinnt dadurch an zeitloser Kraft. Dieser Santa überzeugt nicht durch Effekte, sondern durch eine gewisse Gravitas. Er lebt die Werte, die andere erklären. In einer Welt des Zweifels bleibt er ruhig, offen, respektvoll. Ein Weihnachtsmann, der nicht verzaubert, sondern überzeugt – und gerade deshalb ein Maßstab bleibt.
1. Der Weihnachtsmann – “Weihnachtsmann & Co. KG” (1997)
Dieser Weihnachtsmann (in der deutschen Fassung gesprochen von Eckart Dux) ist keine gesonderte Einzelgestalt, sondern Teil eines Kollektivs – und genau darin liegt seine Größe. Weihnachtsmann & Co. KG denkt Weihnachten vor allem als soziale Praxis. Damit sie funktioniert, braucht es vor allem Zusammenarbeit und Solidarität. Der Weihnachtsmann ist hier weder unfehlbar noch entrückt, sondern zugewandt, lernfähig und klar in seinen Werten. Er delegiert, er erklärt und hört zu. Vielleicht ist Weihnachtsmann & Co. KG auch deswegen so prägend, weil die Serie Weihnachten zwar entromantisiert, aber ohne es zu entzaubern: Güte ist hier kein Gefühl, sondern eine Entscheidung – und Arbeit. Und kein anderer Weihnachtsmann erklärt so selbstverständlich, dass sie sich lohnt.




































































































































































































































