Küsse gibt es im Kino viele, aber nur wenige gehen wirklich unter die Haut. Es sind diese besonderen Szenen, in denen mehr mitschwingt als nur Romantik - wenn ein Kuss zum Protest wird, zur Befreiung oder auch als Botschaft. Gerade im Pride Month lohnt sich ein Blick auf genau solche Momente, die ähnlich wie in Blue Valentine (2010) oder Portrait einer jungen Frau in Flammen (2019) nicht nur Gefühle zeigen, sondern auch ein ganzes gesellschaftliches Klima einfangen. Hier findest du eine Auswahl von Filmküssen, die Menschen bewegt, Diskussionen ausgelöst oder sogar die Popkultur geprägt haben - von Hollywood bis Arthouse und von zärtlich-romantisch bis rebellisch.
1. Brokeback Mountain (2005)
Der erste gemeinsame Kuss zwischen Ennis und Jack in Brokeback Mountain ist roh, überraschend und fast gewaltsam und so voller aufgestauter Gefühle, dass er die Leinwand zum Beben bringt. Hier spürst du sofort: Es kämpfen zwei Menschen nicht nur mit ihrer Liebe, sondern auch immer wieder mit sich selbst. Was diesen Moment so besonders macht, ist vor allem seine Ehrlichkeit. Denn es geht nicht einfach um perfekte Bilder, sondern um gelebte Wirklichkeit. Der Film dauert etwa 134 Minuten und wurde völlig zu Recht mit gleich drei Oscars ausgezeichnet. Wer ihn sieht, versteht, warum dieser Kuss zu einem Wendepunkt im queeren Mainstream-Kino wurde.
2. Casablanca (1942)
Rick trifft in seiner Bar im besetzten Casablanca seine alte Liebe Ilsa wieder - doch sie ist inzwischen verheiratet. Wenn sich Rick und Ilsa küssen, dann steckt darin alles: Vergangenheit, Schmerz, Leidenschaft, Aufbruch. Es ist ein Kuss, der nicht zusammenführt, sondern loslässt. Kein Happy End, aber ein unsterblicher Film-Moment. Bis heute ist dieser Schwarz-Weiß-Kuss ein Symbol für bittersüße Liebe und moralische Entscheidung in schwierigen Zeiten. Und natürlich fällt auch der berühmteste Satz der deutschen Synchrongeschichte: „Schau mir in die Augen, Kleines.“ – frei übersetzt aus dem Original “Here’s looking at you, kid.” Ein Satz aus einem 102-minütigen Meisterwerk, der bis heute Filmgeschichte schreibt.
3. Call Me by Your Name (2017)
Im heißen italienischen Sommer passiert etwas, das sich kaum in Worte fassen lässt: Elio verliebt sich in Oliver. Der erste Kuss in Call Me by Your Name ist vorsichtig, zart und doch voller Sehnsucht. Es geht nicht nur um Anziehung, sondern um das Ertasten von Grenzen, das langsame Zulassen von Nähe, das Schwanken zwischen Angst und Verlangen. Der Film verzichtet bewusst auf dramatische Wendungen und laute Gefühle, wodurch jeder Blick und jede Geste umso intensiver wirkt. Über 132 Minuten entfaltet sich eine stille, poetische Kraft, die tief unter die Haut geht. Wenn du Weekend mochtest, wirst du auch hier dieses Gefühl wiederfinden: ein flüchtiger Sommermoment, der sich unauslöschlich einbrennt. Ein Film wie ein Sonnenstrahl, der erst wärmt - und dann weh tut.
4. Ghost - Nachricht von Sam (1990)
Molly verliert die Liebe ihres Lebens, als Sam bei einem Überfall stirbt - doch seine Seele bleibt bei ihr. Die legendäre Töpferszene bei Ghost - Nachricht von Sam, in der sich Molly und Sam ganz nahekommen und leidenschaftlich küssen, ist unvergesslich und wurde so oft parodiert, dass sie schon Kultstatus hat. Später, als Sam als Geist durch das Medium Oda Mae (Whoopi Goldberg) mit Molly kommuniziert, küsst Molly Sam nochmal, knutscht aber eigentlich Medium Oda, die Sams Geist in sich trägt. Emotional gilt der Kuss natürlich Sam und soll damit zeigen, dass die Liebe auch den Tod überwinden kann. Untermalt von „Unchained Melody“ brachte dieser Moment Millionen Zuschauer zum Schluchzen.
5. Carol (2015)
In Carol ist schon ein Blick mehr als ein Versprechen. Der erste Kuss zwischen Therese und Carol passiert in einem Moment stiller Spannung, irgendwo zwischen Schüchternheit und Mut. Du spürst, wie jede Sekunde vorher geladen ist mit unausgesprochener Sehnsucht. Der Film spielt zwar in den 1950ern, aber seine emotionale Wahrheit ist universell. Ähnlich wie in A Single Man geht es um die Zerbrechlichkeit von Beziehungen, die sich nicht entfalten dürfen und um die stille Kraft, mit der Liebe trotzdem existiert. Die 118 Minuten sind durchzogen von Eleganz, Melancholie und leiser Hoffnung. Regisseurin Todd Haynes setzt auf Andeutungen statt auf große Gesten, auf Blickachsen statt Dialoge. Carol ist ein Film, der dir unter die Haut kriecht - langsam und behutsam, aber nachhaltig.
6. The Kids Are All Right (2010)
Nic und Jules führen eine queere Vorstadtfamilie mit zwei Teenagern, und ihr Kuss in The Kids Are All Right zeigt, wie Nähe auch nach Jahren noch neu entstehen kann. Das Besondere an diesem Moment ist nicht der Reiz des Unbekannten, sondern das Wiederfinden in einer langjährigen Beziehung, die schon vieles erlebt hat. Der Film, der rund 106 Minuten dauert, stellt Fragen nach Identität, Alltag und dem, was Familie heute ausmacht. Wenn du Little Miss Sunshine mochtest, wirst du auch hier die feinen Zwischentöne, den lakonischen Witz und die ehrlichen Konflikte lieben. The Kids Are All Right zeigt, dass Liebe manchmal ganz leise ist, und dass ein Kuss auch ein Neubeginn sein kann, mitten im Gewöhnlichen.
7. Moonlight (2016)
Moonlight ist ein stiller Sturm. Der Kuss zwischen dem jungen Chiron und seinem Freund Kevin passiert am Strand, nachts, ganz ohne großes Licht oder überhöhtes Pathos. Und genau das macht diesen Moment so stark. Es ist eine vorsichtige Annäherung, ein kurzes Innehalten in einem Leben voller Schmerz und Unsicherheit. In nur 111 Minuten erzählt der Film eine ganze Lebensgeschichte - von Kindheit, über Jugend bis ins Erwachsenenalter, immer nah an Chirons innerem Erleben. Wenn du Pariah gesehen hast, wirst du die Parallelen sofort spüren: Beide Filme machen queere Black-Erfahrungen sichtbar, ohne sie zu romantisieren oder zu glätten. Moonlight ist zurückhaltend, aber eindringlich. Ein Film, der dir lange im Gedächtnis bleibt und sich ganz leise in dein Herz legt.
8. Milk (2008)
Milk erzählt die wahre Geschichte von Harvey Milk, dem ersten offen schwulen Politiker Kaliforniens. Sein Kuss mit seinem Partner Scott ist viel mehr als eine Liebesgeste – er ist ein Statement gegen Unterdrückung, Ausgrenzung und Unsichtbarkeit. In einer Zeit, in der queere Paare im öffentlichen Raum noch bedroht oder kriminalisiert wurden, zeigte Milk, wie mutig es sein konnte, einfach man selbst zu sein. Der Film begleitet Harvey auf seinem Weg vom Ladenbesitzer in San Francisco zum leidenschaftlichen Aktivisten und schließlich zum gewählten Vertreter seiner Community. Dabei geht es nicht nur um Politik, sondern um Menschlichkeit, Nähe und die Kraft kollektiver Veränderung. Der Kuss erinnert daran, dass selbst intimste Gesten revolutionär sein können, wenn sie in einem feindlichen Umfeld stattfinden. Milk ist nicht nur ein politischer Film, sondern zudem emotional und zutiefst bewegend.
9. Titanic (1997)
195 Minuten vollgepackt mit Drama: Jack und Rose, zwei junge Menschen aus völlig unterschiedlichen Welten, verlieben sich an Bord der Titanic, kurz bevor das Unglück seinen Lauf nimmt.
Der Kuss am Bug des Schiffs, mit ausgestreckten Armen und wehenden Haaren, gehört zu den meistzitierten Szenen der Filmgeschichte. Es ist nicht nur die Kulisse, die diesen Moment unvergesslich macht, sondern auch das Gefühl von Freiheit, Aufbruch und Rebellion gegen gesellschaftliche Zwänge. James Camerons Mega-Blockbuster machte nicht nur Leonardo DiCaprio und Kate Winslet zu Stars, sondern ließ eine ganze Generation an die ganz große Liebe glauben mit einem Kuss, der gleichzeitig romantisch, ikonisch und bittersüß ist.
10. Philadelphia (1993)
Als Andrew Beckett in Philadelphia seinen Partner Miguel küsst, passiert das ganz beiläufig, und genau darin liegt die Kraft. Es ist kein dramatischer Moment, sondern ein Zeichen von Alltag, Intimität und Zusammenhalt. In einer Zeit, in der HIV/AIDS mit Angst, Schuld und gesellschaftlicher Ausgrenzung verknüpft war, bedeutete diese Szene weit mehr als nur Zuneigung. Der Film, der 125 Minuten dauert, setzt bewusst auf leise Zwischentöne, um Diskriminierung, Krankheit und Liebe nebeneinander bestehen zu lassen. Tom Hanks und Antonio Banderas verkörpern ein Paar, das durch seine Normalität auffällt – weil sie im Kino bis dahin kaum sichtbar war. Philadelphia ist nicht nur ein Gerichtsdrama, sondern ein Plädoyer für Menschlichkeit. Vergleichbar mit Filmen wie The Normal Heart zeigt Philadelphia, wie politische Themen plötzlich ganz nah kommen, und wie Liebe auch im Verborgenen Geschichte schreiben kann.