Mit der Romanverfilmung The Woman in Cabin 10 landet Netflix zwar einen Chart-Erfolg, aber keinen Kritikerliebling. Der Psychothriller von Simon Stone (Die Ausgrabung), basierend auf Ruth Wares Bestseller, folgt der Journalistin Lo Blacklock (Keira Knightley) auf eine luxuriöse Kreuzfahrt durch Nordeuropa – und in einen Albtraum zwischen Wahn und Wirklichkeit.
Als sie Zeugin eines vermeintlichen Mordes wird, glaubt ihr niemand. Was als eleganter Whodunit beginnt, entwickelt sich zum klaustrophobischen Psychospiel über Isolation, Angst und Selbstzweifel. Wer nach ähnlichen Psychothrillern mit starken, vielschichtigen Frauenfiguren sucht, findet in dieser Liste zehn lohnende (und bessere) Alternativen.
Eileen (2023)
In Eileen entfaltet William Oldroyd nach Ottessa Moshfeghs Roman ein kühles, verstörend intimes Psychogramm zweier Frauen. Thomasin McKenzie spielt Eileen, eine unscheinbare Angestellte in einem Jugendgefängnis, deren Leben durch die charismatische Psychologin Rebecca (Anne Hathaway) aus dem Gleichgewicht gerät. Zwischen Faszination und Manipulation entwickelt sich eine verhängnissvolle Dynamik um Begehren und Macht. Oldroyd inszeniert das mit präziser Langsamkeit: Blicke und Gesten werden zum Rätsel. Hathaway fasziniert als verführerische Rächerin, McKenzie als verletzliche Suchende. Eileen ist ein unaufdringlich radikaler Film über weibliche Sehnsucht – und ihr zerstörerisches Potenzial.
10 Cloverfield Lane (2016)
Michelle (Mary Elizabeth Winstead) erwacht nach einem Unfall in einem unterirdischen Bunker – mit einem Mann, der behauptet, die Welt draußen sei nach einem Nuklearangriff nicht mehr dieselbe und unbewohnbar. 10 Cloverfield Lane entfaltet sich als Psychothriller im Miniaturformat: drei Figuren, ein Raum, keine Gewissheit. Michelle entwickelt sich dabei vom eingeschüchterten Opfer zur überlegten Taktikerin, die jede Situation analysiert. Hier erzeugen Überlebensinstinkte und Intelligenz die Suspense - ein Psychothriller, der ohne Blut und Pathos auskommt und dafür ganz auf psychologische Präzision setzt.
The Girl on the Train (2016)
Rachel Watson (Emily Blunt) fährt jeden Tag mit dem Zug an einem idyllischen Haus vorbei, in dem scheinbar ein perfektes Paar lebt – ein Symbol für das Leben, das sie selbst verloren hat. Doch als die Frau plötzlich verschwindet, wird Rachel in ein Netz aus Lügen, Gewalt und Selbstzweifeln gezogen. Getrieben von Schuld und Alkoholsucht versucht sie zu rekonstruieren, was in jener Nacht geschah – und was sie wirklich gesehen hat. The Girl on the Train erzählt eindringlich von Erinnerungslücken, Selbsttäuschung und weiblicher Ohnmacht – bis Rachel erkennt, dass ihre Schwäche zugleich ihre größte Stärke ist.
Elle (2016)
In Elle liefert Isabelle Huppert eine ihrer radikalsten Leistungen: als Michèle, die nach einem Übergriff nicht zum Opfer wird, sondern die Kontrolle übernimmt – über Täter, Umfeld und die eigene Geschichte. Paul Verhoeven inszeniert das als provokante Gratwanderung zwischen Gewalt, Begehren und Macht, die moralische Gewissheiten in Frage stellt. Huppert spielt mit faszinierender Kühle und subtilem Sarkasmus, macht lässt Regungen doppeldeutig und Gesten zur Herausforderung an das Publikum werden. Elle ist kein Film über Befreiung, sondern über Autonomie – schmerzhaft, brillant und intellektuell verstörend.
Der Unsichtbare (2020)
Elisabeth Moss brilliert als Cecilia, die glaubt, ihrem gewalttätigen Ex entkommen zu sein – bis seltsame Ereignisse sie an ihrem Verstand zweifeln lassen. Der Unsichtbare verwandelt ein klassisches Monster-Motiv in eine Parabel über häusliche Gewalt und verwandelt Unsichtbarkeit in ein Sinnbild für Gaslighting und Machtmissbrauch. Cecelia wird zum Symbol des Überlebens in einem System, das Frauen nicht glaubt, bis sie selbst verschwinden. Der Film ist unaufdringlich politisch, erschütternd klug und entfaltet mit minimalistischem Setting eine fast unerträgliche Spannung. Ein moderner Klassiker weiblicher Selbstbehauptung.
Don’t Worry Darling (2022)
Don’t Worry Darling ist Olivia Wildes durchinszenierte Vision einer perfekten 1950er-Jahre-Idylle – und ihrer gnadenlosen Zersetzung. Was wie ein stilisierter Traum wirkt, wird bald zum Albtraum über Kontrolle, Geschlechterrollen und Unterdrückung. Florence Pugh trägt den Film mit einer Wucht, die selbst dann überzeugt, wenn die Handlung ins Symbolische kippt. Der Film funktioniert als visuell überbordende Parabel auf das Gaslighting einer ganzen Generation: Schönheit als Falle, Ordnung als Lüge – und lässt die nicht außen vor, die sich diese Zeit am liebsten zurückwünschen.
Promising Young Woman (2020)
Cassie (Carey Mulligan) führt ein Doppelleben: Tagsüber freundliche Barista, nachts kalter Racheengel. Sie täuscht sie Betrunkenheit vor, um Männer mit ihren eigenen Übergriffen zu konfrontieren. Emerald Fennell inszeniert diesen schillernd-bunten Psychothriller mit kühler Präzision. Mulligan spielt Cassie mit einer Mischung aus Verletzlichkeit und kontrollierter Härte, ihre Rache wird zur verzweifelten Suche nach Gerechtigkeit in einem System, in dem Gewalt gegen Frauen oft ohne Konsequenzen bleibt. Promising Young Woman ist ein klar komponiertes, sarkastisches und erschütternd gegenwärtiges Werk über Schuld, Scham und (männliche) Macht.
Rebecca (1940)
Alfred Hitchcocks Rebecca bleibt das Urbild des Psychothrillers mit weiblicher Hauptfigur: Eine junge Frau (Joan Fontaine) heiratet den geheimnisvollen Maxim de Winter – nur um festzustellen, dass das Anwesen Manderley noch immer im Bann seiner verstorbenen Frau Rebecca steht. Rebecca ist dabei allerdings kein Geisterfilm, sondern ein meisterhaftes Psychogramm über Eifersucht, Kontrolle und weibliche Unsicherheit. Die namenlose Heldin verwandelt sich von naivem Mädchen zur Frau, die das Unaussprechliche erkennt.Elegant, unheimlich, zeitlos.
Mother! (2017)
Darren Aronofskys Mother! ist weniger Thriller als eine apokalyptische Versuchsanordnung über weibliche Schöpfungskraft und männliche Vereinnahmung. Jennifer Lawrence verkörpert eine namenlose Frau, deren Haus – Sinnbild ihres Körpers und Bewusstseins – von Fremden heimgesucht wird, während ihr narzisstischer Mann schöpferischen Größenwahn mit beinah göttlicher Macht verwechselt. Dabei treibt Aronofsky seine gewaltvolle Allegorie an die Grenze des Erträglichen: Ein Film als Fiebertraum, wuchtig und erschöpfend zugleich. Mother! ist ein beißender Kommentar – und ein Film, der Vieles zugleich will, aber gerade im Chaos seine Wahrheit findet.
Das Schweigen der Lämmer (1991)
In Das Schweigen der Lämmer begegnet die FBI-Anwärterin Clarice Starling (Jodie Foster) dem inhaftierten Kannibalen Hannibal Lecter, um einen Serienmörder zu fassen – und gerät dabei in ein psychologisches Duell, das weit über den Fall hinausgeht. Jonathan Demmes Film ist nicht nur ein Thriller-Meilenstein, sondern auch ein Porträt weiblicher Selbstbehauptung in einer Männerwelt. Jodie Fosters Clarice ist klug, sensibel, unbeirrbar – eine Figur, die Stärke nicht durch Dominanz, sondern durch Empathie zeigt. Das Schweigen der Lämmer ist ein Film, der den Horror nicht im Monströsen, sondern im menschlichen Blick sichtbar macht.

































































































































































































































