Monster sind nie nur das, was sie zu sein scheinen. Sie spiegeln Angst, Schuld, Verlangen und oft auch das Menschliche, das wir lieber verdrängen. Während viele Studios ihre Kreaturen zu Franchises oder Actionfiguren degradieren, bleibt Guillermo del Toro ein Chronist des Tragischen: Seine Monster lieben, leiden, denken – sie sind Spiegel ihrer Schöpfer.
Sein Frankenstein knüpft genau daran an: als modernes Märchen über Einsamkeit, Hybris und die Grenzen göttlicher Schöpfung.Doch auch andere Regisseure haben das Monster neu gedacht – als Sinnbild für Trauma, Körper, Gesellschaft oder Begehren. Diese zehn Filme zeigen, wie wandelbar das Grauen sein kann.
10. King Kong (2005)
Peter Jacksons King Kong ist mehr als ein modernes Effektgewitter. Sein Remake des Klassikers von 1933 ist zugleich Hommage, Melodram und Tragödie. Naomi Watts spielt die Schauspielerin Ann Darrow, deren Mitgefühl den Riesenaffen zu einem tragischen Helden macht, ein Opfer von Schönheit, Gier und Zivilisation. Peter Jackson gelingt das Kunststück, Monsterfilm und Empathiegeschichte zu vereinen: King Kong ist zugleich Spektakel und elegische Reflexion über Mensch und Natur. Der Film feiert das Kino der 1930er-Jahre, aber auch die Sehnsucht nach Unschuld, die darin steckt. Kein Remake hat das Herz des Originals so gekonnt weiterschlagen lassen.
9. Hatching (2022)
Hanna Bergholms Hatching verwandelt verwandelt ein sicheres Zuhause in einen Albtraum aus perfekter Oberfläche und darunter lauernder Verdrängung. Im Zentrum steht ein zwölfjähriges Mädchen, das ein Ei ausbrütet – und damit eine Kreatur gebiert, die ihre unterdrückten Emotionen und den unaushaltbaren Druck einer Familie verkörpert, die Makellosigkeit von ihr erwartet. Das Monster wächst, wie auch die Wut auf die heile Welt der Influencer-Mutter. Bergholm inszeniert Körperhorror als psychologische Metapher: Die Häutung wird zur Selbstbefreiung, das Grauen zum Akt der Identitätsfindung. Hatching zeigt, dass das wahre Monster oft nicht das Fremde ist, sondern das, was man im Inneren so lange zu verbergen versucht.
8. Die Nacht der lebenden Toten (1968)
George A. Romeros Night of the Living Dead ist die Geburtsstunde des modernen Zombiefilms – und steckt voller gesellschaftlicher Sprengkraft. Mit minimalem Budget drehte Romero ein nihilistisches Gleichnis über Angst, Medien und Rassismus. Die Zombies selbst sind träge, aber unerbittlich und dienen Spiegel einer Gesellschaft, die ihre Menschlichkeit verliert. Der Film bricht mit Tabus, indem er viel Gewalt zeigt, aber er glorifiziert sie nicht. Und sein Ende bleibt bis heute eine der bittersten Pointen des Kinos. Die Nacht der lebenden Toten ist kein Monsterfilm im klassischen Sinne, sondern eine triftige Moralanalyse: Das wahre Monster ist die Masse.
7. Gremlins (1984)
Joe Dantes Gremlins ist ein Wolf im Weihnachtspelz: eine Satire über Konsum, Überforderung und den Horror des Alltäglichen. Die niedlichen Mogwai verwandeln sich bei falscher Behandlung in anarchische Kreaturen und werden so zum Sinnbild einer Kultur, die ihre eigenen Sehnsüchte und Besitztriebe nicht mehr kontrollieren kann. Was als Familienfilm beginnt, wird zum subversiven Kommentar über amerikanische Idylle und Massenkultur. Joe Dantes Humor ist schwarz, seine Monster zugleich grotesk und charmant – ein seltener Fall, in dem die Sympathie klar auf der Seite des Chaos liegt. Gremlins bewies außerdem, dass Horror und Komödie keine Gegensätze sind, sondern Zwillinge sein können: Als zwei Wege, um mit dem Unfassbaren umzugehen.
6. The Babadook (2014)
Jennifer Kents The Babadook revolutionierte das Horrorgenre mit einer einfachen, grausamen Idee: Das Monster ist die Trauer selbst. Amelia (Essie Davis) versucht, nach dem Tod ihres Mannes mit ihrem Sohn zurechtzukommen – bis ein Kinderbuch über den unheimlichen „Babadook“ zum Einbruch des Unbewussten wird. Statt auf Schockeffekte setzt der Film auf psychologische Tiefe: Das Grauen entsteht aus der Überforderung einer Mutter, die sich selbst fürchtet. Der Babadook steht für verdrängte Gefühle, die nicht verschwinden, solange man sie verleugnet. Jennifer Kents Film ist eine Meditation über Verlust, Depression und Mutterschaft – ein Horrorfilm, der wehtut, weil er an der Wahrheit interessiert ist.
5. Pans Labyrinth (2006)
Guillermo del Toros düsteres Märchen spielt im Spanien der Franco-Zeit und folgt dem Mädchen Ofelia, das in eine magische Unterwelt flüchtet, während die reale Welt von Grausamkeit beherrscht wird. Die fantastischen Kreaturen – der Faun, der bleiche Mann, die bizarren Insektenwesen – sind keine bloßen Monster, sondern Verkörperungen von Angst, Unschuld und Widerstand. Del Toro verbindet politische Realität mit mythischer Symbolik und macht das Fantastische zum Ort moralischer Wahrheiten. Pans Labyrinth ist weniger Eskapismus, als ein Plädoyer für Fantasie als Überlebensinstinkt. Es zeigt Monster als die letzten Wahrheitsboten in einer Welt der Gewalt.
4. Das Ding aus einer anderen Welt (1982)
John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt ist ein kühler, präziser Albtraum über Misstrauen und Identitätsverlust. In einer arktischen Forschungsstation taucht eine außerirdische Lebensform auf, die jedes Lebewesen perfekt nachahmen kann – und damit jede Sicherheit zerstört. John Carpenters Film zeigt, wie Angst selbst zur ansteckenden Kraft wird: Niemand weiß mehr, wem zu trauen ist. Mit bahnbrechenden praktischen Effekten, Morricones minimalistischem Score und einer beklemmend nüchternen Inszenierung verbindet The Thing (Originaltitel) Körperhorror mit psychologischem Terror. So entsteht ein beunruhigender Film über das Auseinanderfallen von Gemeinschaft.
3. Nosferatu (2025)
Robert Eggers, bekannt für The Witch und The Lighthouse, verfilmte den Urtext des Horrorkinos neu: Murnaus Nosferatu (1922). Mit Lily-Rose Depp, Bill Skarsgård und Nicholas Hoult interpretiert er ihn als einen düsteren, gotischen Albtraum. Eggers’ Stil – archaisch, sprachbewusst, voller Symbolkraft – hat den Vampirfilm von der romantischen Glätte jüngerer Adaptionen befreit. Während Dracula (1931) und Francis Ford Coppolas opulente Version von 1992 das Monster zur erotischen Figur machten, holt Eggers die Urangst vor ihm zurück: das Grauen der Pest, des Todes, der Begierde ohne Erlösung. Ein Film, der an die Wurzeln des Mythos geht. Nosferatu ist roh und schön, beunruhigend und metaphysisch geladen zugleich.
2. Alien (1979)
Ridley Scotts Alien ist das Paradebeispiel dafür, wie das Monster zum mythischen Archetyp wird. Das Xenomorph, erschaffen von Künstler H.R. Giger, verkörpert zugleich Geburtsangst, Sexualität und Tod – die perfekte biologische Bedrohung. Doch im Zentrum steht Ripley (Sigourney Weaver), deren Überlebenskampf das Genre veränderte. Alien verbindet klaustrophobische Spannung mit existenzieller Furcht: vor dem Körper, dem Kontrollverlust, der Fremdheit. Ridley Scott inszeniert das Weltall als kaltes, indifferent-unheimliches Reich, in dem Menschlichkeit zum Störfaktor wird. Kaum ein Film hat so nachhaltig definiert, was Monsterkino leisten kann – und wie viel Stärke in Isolation liegt.
1. Bram Stoker’s Dracula (1992)
Francis Ford Coppolas Dracula ist weniger eine klassische Horrorgeschichte als ein barockes Opern-Drama über Liebe, Verlangen und Verdammnis. Gary Oldman verkörpert den Fürsten der Finsternis als tragischen Liebenden, dessen Jahrhunderte überdauerdne Sehnsucht die Grenzen zwischen Opfer und Täter verwischt. Mit seiner exzessiven Ausstattung, dem Spiel aus Licht, Schatten und dem Körperlichen feiert Francis Ford Coppola das Kino als visuelles Rauschmittel. Der Film verbindet Romantik und Horror zu einer Sinfonie aus Blut und Begehren und dem wohl sinnlichsten Vampirfilm aller Zeiten. Dracula wird hier zur Figur des Schmerzes: Ein Monster, das mehr fühlt als die Menschen um ihn.

































































































































































































































